Sangre de Christo Mountains (New Mexico, USA)
800 Fuß unter der Felskante treffen sich … |
Stell dir vor, du steht am Abgrund des Grand Canyon … und keiner schaut hin. Keiner drängelt, keiner lärmt, keiner fotografiert! Du bist der einzige weit und breit. Hast das Naturschauspiel ganz für dich allein! Genau so fühlt es sich am Aussichtspunkt La Junta an. Dort, wo sich 800 Fuß unter dir die Wasser des Red River in den Rio Grande ergießen. Beide führen gerade nicht viel Wasser - es ist Herbst - dennoch bieten sie ein eindrucksvolles Schauspiel!
Die Zapfen der Pinien verstreuen ihre Samen. |
Na ja, vielleicht nicht ganz so beeindruckend wie am Grand Canyon, dafür abgeschieden und ruhig. Beinahe einsam. Natur pur eben. Nur ein paar Eingefleischte und Kenner hat es hierher verschlagen, denn in keinem der einschlägigen Führer ist die Gegend auch nur erwähnt! Welch ein Glück! Zwei Kilometer stromaufwärts ist sogar ein Camp eingerichtet, direkt an der Kante der Schlucht: überschaubar, sauber … und billig (weil vom BLM betrieben). Damit das so bleibt, gibts hier weder Koordinaten noch Ortsangaben. Ihr müsst schon selber suchen!
Ein Blick in die Unendlichkeit … |
Gestern Abend haben sich sogar zwei Dutzend Sterngucker hier getroffen. Die Gegend ist nämlich eine der finstersten in ganz New Mexico. "Na, da passt du ja prima dazu …" werdet ihr sagen. Doch nicht die Typen in den (nicht vorhandenen) Kneipen sind die Attraktion, sondern die Umgebung: eine 'International Dark Sky Reserve'. Der perfekte Platz, um die Milchstraße und andere Himmelsspektakel zu beobachten. Vor allem der Saturn (nein, nicht der Elektronikmarkt!) hat mich gestern fasziniert - ich durfte durch eines der semi-professionellen Teleskope linsen. Alle seine Monde waren sichtbar, sogar die Abflachung an den Polen! Whow, welch außerirdischer Anblick (Fotos waren leider nicht möglich; der Umbau hätte zu lange gedauert! Das rechts stammt von der ESA.)
In den Sangre de Christo Mountains |
Welches Glück wir wettertechnisch hatten, zeigt der Blick zum Himmel heute Morgen: null Sonne, nur schwere Regenwolken. Die verziehen sich aber nach zwei Stunden wieder … und machen einem klitzekleinen Regenbogen Platz … auch sehr nett! Dazu das fröhliche Zirpen einer Hand voll Vögel. Es ist einfach toll hier! Genau das, was ich so schätze! Also hänge ich gleich noch zwei Nächte dran!
Bevor es also weitergeht, haben wir etwas Zeit, die letzten Wochen - seit der Ausreise aus Canada - Revue passieren zu lassen. Zurück also nach North Dakota:
Wilder Westen: Die Badlands des Little Missouri River
Bad muss nicht immer 'schlecht' bedeuten! Jedenfalls bilden die Badlands des Little Missouri River nach der tagelangen Fahrerei durch die Weizen- und Maisfelder im Norden Dakotas eine willkommene Abwechslung! Um ein Haar hätte ich sie allerdings links liegengelassen, denn wer will sich schon Badlands ansehen? Aber ein Nationalpark? Noch dazu einer von Präsident Theodore Roosevelt persönlich? Zumindest gibt's im Park nette - und bezahlbare - Nachtplätze! Also auf nach Medora - es liegt ja beinahe am Weg!
Zum Wilden Westen ist's nicht mehr weit! |
Die Bankräuber von heute … |
Schon das Städtchen mit seinen achthundert Einwohnern zaubert mir ein Lachen auf die Lippen: Wildwestfeeling vom Feinsten! Gleich um die Ecke muss die Ponderosa-Ranch von den Cartwrights liegen! Die Dörfer, die ich bisher gesehen hatte, waren eher gesichtslos gewesen: Tankstelle, Motel, mit viel Goodwill eine Townhall oder ein Communitycenter. Doch Medora punktet mit echtem Flair. Auch wenn's nur Kulissen sind, hinter denen sich ganz normale Läden verbergen. Doch irgendwie fühle ich mich 100 Jahre zurückversetzt, in die Zeit, als Winnetou und Old Shatterhand noch durch die Prärie streiften!
Der Little Missouri River ist wenig beeindruckend … |
Der Nationalpark selbst ist nicht wirklich beeindruckend. Wenngleich … eine nette Abwechslung ist er durchaus! Der Little Missouri River, einer der Quellflüsse des 'richtigen' Missouri hat hier ganze Arbeit geleistet: über ein paar Jahrmillionen hat er sich sein Flussbett in das weiche Sedimentgestein gegraben und damit ganz unterschiedliche Schichten freigelegt, die nun in allen Erdfarben leuchten: rot, dunkelbraun, beige, schwarz. So trägt gleich der erste Aussichtspunkt den verlockenden Namen Coloured Canyon. Kennt man allerdings die 'richtigen' Canyons in Utah oder Colorado, ist das hier nur ein müder Abklatsch. Trotzdem ist's ein Anblick, der das Auge erfreut, hatte es doch tagelang wenig mehr als das Gelb der Kornfelder und sonnenversengter Erde gesehen!
Diesem Herrn haben die USA viel zu verdanken |
Der Mann, der das schon vor 120 Jahren erkannte, war kein geringerer als Theodore Roosevelt, sechsundzwanzigster Präsident der Vereinigten Staaten … und nebenbei 'Erfinder' des Teddybärs (eine lustige Geschichte ). Er wurde zwar in New York geboren, hatte aber eine Ranch in North Dakota und arbeitete u.a. als Cowboy und Hilfssheriff. Jedenfalls war er im Herzen ein echter Naturfreund, ein halber Trapper … und ein Mann mit Rückgrat und Weitsicht! [1] Schon in seiner ersten Amtszeit hatte er sich den Umweltschutz auf die Fahnen geschrieben, und ließ die ersten Nationalparks einrichten! Seinen Namen - sowie den der Rough Riders, einer berittenen Elitetruppe, die er im Spanisch-Amerikanischen Krieg (1898-1899) anführte - findet man hier an jeder Straßenecke!
Die Prärie in Norddakota ist nicht immer eintönig. |
Devils Tower
Der Devils Tower ragt wahrhaft heraus. |
'Outstanding' ist wohl die richtige Vokabel für den imposanten Felsklotz. In geografischen Sinn ebenso wie im übertragenen! Kein Wunder, dass er von vielen der indigenen Stämme in der Umgebung als heiliger Ort verehrt wird - noch heute!
Viele Entstehungsgeschichten ranken sich um ihn: Folgt man der gängigsten Erzählung - der der Lakota - wurde hier einst eine Gruppe kleiner Indianermädchen von einem mächtigen Grizzli bedroht. Der 'Große Geist' intervenierte und ließ die Erde unter ihren Füßen anheben, sodass sich der Bär nur noch an den Flanken des neu erwachsenen Turms festkrallen konnte (daher die Riefen an seinen Flanken; in der Sprache der Indigenen heißt der Ort heute noch Bears Lodge). Die Mädchen überlebten natürlich, wurden allesamt in den Himmel geholt und zeigen sich heute als 'Sterne der Pleiaden'.
Dieses kleine Bächlein hat das viele Land erodiert! |
Die andere Entstehungsgeschichte ist weniger romantisch, dafür weitaus langwieriger: vor 50 Millionen Jahren nämlich bildete sich - folgt man der Erzählung der Geologen - ein unterirdischer vulkanischer Pfropfen ("Igneous Intrusion"), der beim Erkalten die bekannten sechseckigen Basaltsäulen bildete. Anschließend wurde das umgebende - weiche - Sedimentgestein wegerodiert, ein Prozess, der Jahrmillionen andauerte - und dem kleinen Flüsschen namens Belle Fourche, das sich zu Füßen des Devils Tower durch die sanfte Hügellandschaft schlängelt kaum zuzutrauen ist. Heute erhebt sich der Monolith fast 390 Meter über sein Umland. Ganz einig sind sich die Geologen in dieser Erzählung allerdings nicht: Details sind noch immer strittig.
Klamotten an den Bäumen? |
Unstrittig jedoch ist, dass der Ehrfurcht gebietende Felsklotz, der den Ureinwohnern jahrtausendelang als Gebets- und Versammlungsort diente und den ersten weißen Siedlern den Weg in den Westen wies, schon 1906 als erstes National Monument unter Schutz gestellt wurde. Der weitsichtige Präsident war kein anderer als Theodore Roosevelt, wir kennen ihn ja schon!
Wer entdeckt die Kraxler? |
Heute ist der Felsklotz ein vielbesuchtes Ausflugsziel, zwei große Campingplätze laden zum Bleiben (einer davon sogar recht nett gelegen und bezahlbar, der andere ein KOA-Platz mit saftigen Preisen und full hookup!) Auch viele Kletterer lockt der Tower an: fünftausend pro Jahr sollen es sein, die sich an den zweihundert Routen unterschiedlichster Schwierigkeitsgrade versuchen. Die Aussicht von oben muss aber auch grandios sein!
Erst vor zwei Wochen wütete ein Unwetter … |
Vor zwei Wochen - so erzählt die Hüterin des netten Campgrounds - hatte sich ein Unwetter hier festgesetzt und den Tower mit Regen, Schnee und Hagel überzogen. Auf den ersten Blick ist davon wenig zu sehen, aber die 3-Stunden-Wanderung um den heiligen Berg herum offenbart mächtige Sturmschäden! Vermutlich, weil außenherum wenig ist, was ihn bremsen konnte, hat sich der Sturm am Berg besonders heftig ausgetobt! Noch heute sind Aufräumteams damit beschäftigt, die Wege wieder sicher und gangbar zu machen! Das muss die gleiche Tiefdruckzelle gewesen sein, gegen die ich oben in Manitoba zu kämpfen hatte … und die mir einen erneuten Steinschlag - nun schon den dritten - in der Windschutzscheibe eingebrockt hatte!
Schon von weitem auszumachen: Devils Tower! |
Aus jeder Richtung bietet der Devils Tower einen tollen Anblick! |
Kunst und Natur: nicht immer im Widerspruch! |
Zwei Präriehunde vor ihrem Bau … |
Black Hills und der Kalte Krieg
Abwechslung pur: die Black Hills … |
Wie eine Oase im Sandmeer des Grand Erg Occidental erheben sich die Black Hills aus der ebenen Prärie Wyomings und South Dakotas. Mit einem Schlag macht das Fahren wieder Freude! Die Hügel sind noch immer keine richtigen Berge, aber immerhin aus massivem Gestein, will heißen nicht aus dem weichen vergänglichen Sedimentzeug geschaffen wie die Badlands! Auch ihrem Namen machen sie Ehre: vor dem gleißenden Gelb der verdorrten Gräser erscheint das dunkle Grün der Fichten wie tiefstes Schwarz: eine Augenweide!
Mekka des Westens: Mount Rushmore. |
Aber nicht nur dem Auge haben sie etwas zu bieten, sondern auch dem Herz - zumindest dem des aufrechten US-Amerikaners. So, wie jeder Moslem einmal im Leben nach Mekka gepilgert sein sollte, muss jeder US-Amerikaner dem Mount Rushmore seine Aufwartung gemacht haben! Demensprechend hoch ist der Andrang - normalerweise. Vorsorglich hatte ich zur Besichtigung den frühen Montagmorgen ausgesucht: des Lichtes wegen … aber auch der Besuchermassen wegen. Doch die halten sich um halb Sieben noch in engen Grenzen!
Die vier 'ganz Großen' … |
Was aber macht die hinlänglich bekannten Köpfe so einmalig? In den Augen von Gutzon Borglum, dem Schöpfer repräsentieren sie die Prinzipien der Freiheit (liberty and freedom), auf die die Nation gegründet ist. George Washington (1789-1797) steht dabei für den Kampf nach Unabhängigkeit und die Geburt der Nation, Thomas Jefferson (1801-1809) für die Landnahme und Erweiterung (gen Westen und Süden), Abraham Lincoln (1861-1865) für die immerwährende Zusammengehörigkeit der Einzelstaaten und Theodore Roosevelt (1901-1909) für die (neue) Rolle der Vereinigten Staaten in der Welt und die Rechte des kleinen Manns. Tja, diese Herren hatten noch so etwas wie Rückgrat und Ideale. Was ist heute nur davon geblieben?
Der Schöpfer … |
Auch die Leistungen von Gutzon Borglum, dem genialen Bildhauer und unermüdlichen Schöpfer des Köpfe-Quartetts sind nicht von der Hand zu weisen:
- Bauzeit: 1927 - 1941 (Fertigstellung erst nach Gutzons Tod durch seinen Sohn Lincoln)
- Baumaterial: Granit (hart wie nix!)
- Abgetragener Fels: 450.000 Tonnen (90% durch Dynamit entfernt)
- Anzahl der Bauarbeiter: ca. 400
- Anzahl der Drucklufthämmer: 16, nach Einbau eines dritten Kompressors 22
Wieviel Gestein abgetragen werden musste … |
Interessant auch, wie Gotzum damals arbeitete - lange vor der Zeit der Laser-Theodoliten: zunächst erstellte er in seiner Bauhütte am Fuß des Bergs ein Tonmodell im Maßstab 1:12, an dem er laufend Korrekturen vornehmen konnte. An diesem Modell waren oben waagerechte, drehbare Lineale angebracht, an denen spitze Gewichte hingen (ähnlich unserem Senkblei). So gab es für jeden Punkt eines jeden Kopfes drei Abmaße, die exakt die x-, y- und z-Koordinaten z.B. der Nasenspitze oder der Lippen oder des Augenlids bestimmten. Diese Maße wurden mit 12 multipliziert (1 foot = 12 inch) und auf ein gleichartiges Konstrukt am Berg übertragen. Das passierte ungefähr 1000-mal am Tag! So wusste jeder Steinmetz, wo noch etwas abzutragen war und wieviel. Einfach, aber genial!
Relikt aus den Anfängen des Kalten Kriegs … |
Einigermaßen beeindruckt von der Leistung der Steinmetze rolle ich die vierzig Meilen nach Rapid City hinunter, das ungefähr so faszinierend ist wie Hoyersverda bei Regen. Einzige Ausnahme: das South Dakota Air and Space Museum auf der Ellsworth Airbase im Osten der Stadt. Mit einem Schlag wird man dort von den hehren Idealen der vier Präsidenten hinabkatapultiert in die militärischen Tiefen, mit denen sie umgesetzt wurden. Stichwort: Kalter Krieg. Mit dem hatte zwar allenfalls Theodore Roosevelt etwas zu schaffen, wenn auch nur indirekt: schließlich hatte er die Idee der alles beherrschenden Weltmacht (= USA) in die Welt gesetzt. Seine Nachfolger jedoch ließen sich das nicht zweimal sagen.
So dankbar die Deutschen den Amerikanern nach dem zweiten Weltkrieg sein dürfen, so sehr werden sie mit in den Kalten Krieg der Ideologien hineingezogen, der fast ein halbes Jahrhundert lang (1945 - 1990) das Weltgeschehen beherrscht (und noch heute unterschwellig gärt). Der Millionen Menschenleben kostet (Korea, Cuba, Vietnam, Irak), der uns (mindestsens) zweimal an den Rand von Armageddon bringt! Relikte aus dieser kranken Zeit werden auf der Ellsworth Airbase noch immer stolz präsentiert. Sogar die Abschusssilos eingemotteter Interkontinentalraketen - einschließlich Atomsprengköpfen - darf man dort inspizieren (ein Dutzend Meilen weiter im Osten). Ein Gräuel, wenn man bedenkt, welch katastrophales Leid jede einzelne von ihnen anrichten konnte! Nur: heute können das andere Systeme noch weitaus besser!
Fast zwei Dutzend Kampfmaschinen der U.S.Air Force sind auf dem Luftwaffenstützpunkt zu bestaunen. |
Stünden dem Menschen nicht Toleranz und Verstehen/Verstehen-Wollen viel besser zu Gesicht als Atomraketen? Nennt er sich nicht selbst gerne Homo Sapiens? Von Weisheit kann ich hier allerdings wenig entdecken! Aber sorry: ich bin mal wieder abgeschweift!
Toadstool Geological Site
Einige der Pilze liegen schon auf der Seite |
Erinnert ihr euch an den Green Point in Canada? Dort, wo zwischen zwei Gesteinsschichten die Grenze zwischen Kambrium (485,4mya bis 540mya) und Ordovizium (443,4mya bis 485,4mya) verläuft? Etwas ganz ähnliches bildet die Toadstool Geological Site: ein aufgeschlagenes Buch und gleichermaßen Referenz wie Messlatte der Erdgeschichte [2] - allerdings erst für die letzten paar Jahre: genau genommen zwischen 38mya und 24mya (Eozän und Oligozän; mya = Millionen Jahre vor heute).
Die Schichten des 'harten' Sandsteins sind klar erkennbar. |
Weiches Gestein und nicht ganz so weiches Gestein: das sind die Zutaten zu den Toadstools. Was übersetzt nichts anderes als 'Pilz' bedeutet. Und so sehen manche der Steingebilde auch aus. Das untenliegende 'Gestein' ist weicher, bröseliger Ton, der sich über die Jahrmillionen am Boden eines riesigen, flachen Sees abgelagert hatte, der sich von den Rockies bis zu den Appalachen erstreckte. Vor 70, 80 Millionen Jahren begann sich das gesamte Land zu heben (möglicherweise durch das Abschmelzen des canadischen Eisschilds) und der riesige See fiel trocken, zurück blieb ausgetrockneter Seeboden. Später überzogen die Vulkane der Rockies das Gebiet mit Asche, teilweise viele Meter dick! Die verfestigte sich schließlich zu 'hartem' Sandstein, der nun auf dem weichen Ton auflag.
Auf dem Mond dürfte es nicht anders aussehen! |
Später - so, vor 30 Millionen Jahren muss das gewesen sein - gruben sich die Wasser aus den Rocky Mountains schließlich breite Flusstäler; Wind und Wetter taten ihr Übriges, das weiche Gestein erodierte schneller als das harte … und so entstanden die 'Pilze', die sich noch heute beinahe jährlich verändern: nichts ist so beständig wie der Wandel!
Geologen sind hier voll in ihrem Metier! Fotografen auch! |
Auch jede Menge Tiere durchstreifen damals das zunehmend aride Gelände: kleine Pferde, höckerlose Kamele, riesige Schildkröten, Mega-Schweine, ja sogar Rhinozerosse kamen zum Fluss, um ihren Durst zu stillen … und hinterließen ihre Spuren im weichen Untergrund. Die sind zum Großteil natürlich erodiert, an geschützten Stellen jedoch noch heute erhalten. So haben Geologen, Zoologen und Fotografen gleichermaßen ihre Freude an dieser bizarren Laune der Natur!
Badlands der geologisch wertvollen Art: der Toadstool Geological Park |
Scottsbluff und der Oregon Trail
Der Scott's Bluff ist nicht nur für Geologen interessant. |
Der vielleicht größte dieser Pilze (auch wenn er nicht wie einer aussieht) liegt 300 Kilometer weiter im Süden, ist aber auf ganz ähnliche Weise entstanden: der Scottsbluff. Den Geologen allerdings ist er weniger heilig als den Historikern. Denn zusammen mit dem Chimney Rock (30km westlich) bildet die markante Felsformation einen historisch höchst bedeutsamen Meilenstein - auf dem vielbegangenen Oregon Trail. Zwischen 1841 und 1869 zogen auf ihm an die 350.000 Menschen mit ihren Planwagen - oder auch ohne - ins gelobte Land.
Der 'große Trek in den Westen' führte oft über den Oregon Trail |
Mehr als ein halbes Jahr dauerte gewöhnlich die Reise von den Oststaaten - wo die Neusiedler kein neues Land mehr erwerben konnten - in den Westen, der damals noch wirklich 'wild' gewesen sein muss. Das Ziel der 'neuen Eroberer' waren entweder die pazifische Nordküste - die heutigen Staaten Washington und Oregon (daher der Name; dort gab es noch genügend fruchtbares Land) … oder aber die Goldfelder Kaliforniens. Doch bis dahin mussten 2000 Meilen (3200km) unbekanntes und unwirtliches Terrain durchquert werden! Eine durchgehende Eisenbahnverbindung gab es erst ab 1869 und der Weg an die Westküste via Panama (per Schiff) stand nur den Reichen offen.
Die Strapazen müssen unmenschlich gewesen sein! |
Hatten die Siedler endlich Fort Michell bzw. den weithin sichtbaren Scottsbluff erreicht, lag zumindest der langweiligste Teil der Strecke hinter ihnen - die Prärie. Geschafft hatten sie es aber noch lange nicht: die Querung der Rocky Mountains war eine mindestens ebenso große Herausforderung. Glaubt man den Schilderungen von damals, müssen die Verhältnisse wirklich unmenschlich gewesen sein: Hitze, Gewitter, Krankheiten, Rivalitäten, kaum Wasser, kaum Vorwärtskommen (ca. 12 km pro Tag!) und immer und überall die Bedrohung durch die 'Rothäute'! Ach, wie unendlich komfortabel ist doch das Reisen heutzutage …
Wohntrailer von damals: der Planwagen |
Schnitzen mit der Kettensäge … |
Das Getreide fürs tägliche Brot … |
Ein Bordell darf in Deadwood nicht fehlen! |
Zumindest wussten die Menschen damals, wofür sie die Strapazen auf sich nahmen: endlich Freiheit - politische wie religiöse -, endlich eigenes Land! Mit etwas Glück sogar Reichtum. In diesem Land erschien alles möglich. Kein Wunder, dass sich diese Meisterleistung in die US-Geschichte eingebrannt hat: als 'der große Treck gen Westen'. [3] Dass die allermeisten der großen Träume geplatzt sind … und dass heute in keinem Land die Kluft zwischen Arm und Reich größer ist als in den USA … das wussten die Siedler von damals zum Glück nicht!
Die alte Goldgräberstadt Deadwood … in den Black Hills |
Im großen Bogen um die große Stadt
Whow! Welchen Unterschied ein paar Kilometer doch machen! Heute gleich in doppelter Hinsicht! Ja, sogar in dreifacher! Als Fernziel stand die große Stadt immer ganz oben auf der Bucket-List. Warum? In Europa führen alle Straßen nach Rom, hierzulande alle Highways nach Denver (Colorado). An dieser Megacity kommt man einfach nicht vorbei! Doch je näher der Moloch rückt, desto abstoßender wird er. Nichts gegen Denver, aber ich bin nun mal kein Freund von Städten! Von Millionenstädten schon zweimal nicht! Also: Wieder einmal einen großen Bogen schlagen!
Traumhafter Stellplatz in den Rockies … |
Das allerdings hat seine Tücken, denn im Osten der Stadt gibt's wenig mehr als weitere fünfhundert Meilen Prärie - die ich schlichtweg nicht mehr sehen kann! Im Westen hingegen erheben sich die Rocky Mountains auf über 4000 Meter. Dort gibt's - natürlich - ein Erholungsgebiet: den Rocky Mountains National Park. Der jedoch ist so gut besucht, dass man Monate im Voraus sein Ticket buchen muss, um überhaupt eingelassen zu werden. Von Ruhe, von Erholung, gar einem Platz zum Camping oder zum Wandern ganz zu schweigen!
Die Landschaft ist einfach nur schön! |
Vom mondänen Wintersportort Aspen habt ihr sicher schon gehört, der liegt zwei Autostunden westlich. Das sommerliche Pendent ist nur eine Stunde entfernt, nennt sich Estes Park … und ist das Einfallstor zu diesem überlaufenen National- … ähm … Vergnügungspark. Sogar mit eigenem Freeway direkt nach Denver City! Igittt!!! Je länger ich die Karte also studiere, desto größer wird mein Bogen, den ich um dieses - sicher sehenswerte, aber völlig überlaufene - Fleckchen Erde schlagen muss! Zum Glück zeigt meine elektronische Landkarte jeden noch so kleinen Waldweg … und die sind in Colorado manchmal besser zu fahren als die vielbefahrenen Highways!
Auf 3000m zieht der Herbst ins Land. |
Zu viel möchte ich nicht verraten - sonst muss ich nächstes Jahr auch für meine Schleichwege Tickets reservieren! Denn hier es mindestens genauso schön wie ein paar Kilometer weiter … genau genommen liegt der überlaufene Nationalpark nämlich gleich hinter den Hügeln, die mich durch das malerische Tal begleiten! Doch hier herrscht … na ja, nicht gerade Einsamkeit, aber erheblich weniger Andrang als drüben. Und nachts wird es genauso kühl: auf 3000 Metern grüßt das bunte Herbstlaub - hüben wie drüben -, aber auch der erste Nachtfrost! Die Unterschiede sind also überschaubar!
Alle wollen hinauf in die Rockies… |
Farbe satt am Rabbit Ears Pass |
Noch mehr 'Indian Summer' … |
'Indian Summer' in den Rockies … |
Kostenfreier Stellplatz am Laramie River. |
Glück habe ich obendrein: in zwei Tagen werden die offiziellen Campingplätze geschlossen, d.h. nur die ganz Hartnäckigen werden noch unterwegs sein! Ihnen bleibt nur das sogenannte Dispersed Camping, bei dem man stehenbleiben kann, wo man will. Na ja, beinahe! Vielleicht kann ich dann meine Statistik etwas aufbessern: vorgestern habe ich nämlich mit Schrecken festgestellt, dass ich seit Canada - mit zwei Ausnahmen - nur auf Bezahlplätzen stehen musste. Obwohl mir der Annual Pass [4] auf vielen Plätzen Ermäßigung beschert, geht das auf Dauer doch gehörig ans Budget!
Ganz zum Schluss - damit ist das Kapitel 'Great Plains' aber abgehakt - noch ein paar Bilder, die ich euch nicht vorenthalten möchte …
Dem Amerikaner so heilig wie Stonehenge dem Briten: Carhenge |
Schrottverwertung à la Nevada |
Schrottverwertung der künstlerischen Art: Carhenge |
Rechn wer ma kriechn … |
TGV statt Bimmelbahn?
Mit der Dampflock ging's noch gemächlich! |
Well, soweit also der Rückblick! Sicher habt ihr euch dabei gefragt: 3000 Kilometer in nicht einmal vier Wochen! Seit wann rast er denn wie ein TGV durch die Lande - statt gemütlich wie die Bimmelbahn? Das passt doch gar nicht zu ihm! Eher zu den 08/15-Touris auf Jahresurlaub! "Alle Sehenswürdigkeiten innerhalb vier Wochen abklappern!" lautet doch da die Devise … egal, ob sie hinterher etwas gesehen - oder nur Selfies geschossen haben! Aber ihr habt ja recht: meinem Terminplan bin ich um Wochen voraus!!!
Woran liegt das?
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Wenig romantisches Notquartier … -
»Fee-Areas« sind allgegenwärtig! -
Rundum enttäuschend: Great Sanddunes NP!
Kurz und gut: das Finden ansprechender - und kostensparender - Nachtplätze wird zum allabendlichen Vabanque-Spiel - und bevor ich mich recht versehe, bin ich schon auf dem Weg zur nächsten 'Sehenswürdigkeit'. Daher das TGV-Tempo! In dieser Hinsicht hat sich seit meiner letzten Tour enorm viel verändert! Möglicherweise liegt/lag es auch daran, dass ich bisher in touristisch eher weniger erschlossenen Gebieten unterwegs war. Tatsächlich wird die Nachtplatzsituation etwas entspannter, je weiter ich in den Süden/Südwesten vorankomme. Die nächsten Tage werden zeigen, ob das so bleibt - hier in New Mexico jedenfalls ist's recht easy! Ich muss endlich wieder zu meinen persönlichen Reiserhythmus finden!
Lasst euch also überraschen, wie es weitergeht!