Erg Chebbi (Marokko) (GPS: 31°13,978'N; 004°05,722'W)
"Was ist es nur, was dich immer wieder in die Wüste lockt?" habt ihr mich vor Jahren gefragt. Die Antwort könnt ihr hier nachlesen. Auch wenn ich es heute anders ausdrücken würde, an der Faszination der Wüste hat sich nichts verändert! Im Gegenteil: nach wie vor ist sie der ideale Ort, der Kälte, der Hektik, Anspannung und den Malaisen im winterlichen Europa zu entkommen!
So nimmt es wenig Wunder, dass das Ziel der Winteretappe 2018/2019 wieder in Marokko liegt. Genauer im 'Kleinen Süden', dem schmalen Streifen zwischen Hohem Atlas und algerischer Grenze. Das ist zwar noch nicht die echte Sahara, aber nahe dran! Dort gibt es schroffe Gebirge ebenso wie malerische Flusstäler, weite Ebenen und gewaltige Sandgebirge. Der rechte Ort zum Abschalten, zum Seele-baumeln-lassen, aber auch für ein paar gedankliche Weichenstellungen.
Einer der herausragenden Vorzüge der Wüste ist die Stille. Ist nicht gerade ein Trupp von 4WD-Enthusiasten unterwegs, die mit dröhnenden Motoren durch die Dünen heizen, ist die Stille wirklich ohrenbetäubend. In den ersten Tagen kann man sie tatsächlich hören. Später auch genießen!
Stille ist mehr als die Abwesenheit von Lärm. Noch aus den Zeiten des ›Homo afariensis‹ ist das Ohr unser nie schlafendes Alarm-Organ. Raschelt es noch so leise im Gebüsch - egal, ob Säbelzahntiger oder missgünstiger Nachbar - versetzt Adrenalin uns sofort in Kampf-Modus. Heute schlafen wir nicht mehr in der Höhle, sondern im Apartment neben der Autobahn, die Bedrohungen sind weniger geworden, Ohr und Hirn aber funktionieren wie eh und je. Kein Wunder, dass wir morgens wenig erholt aufwachen und ein Bummel über die Leopoldstraße zum hörtechnischen Stresserlebnis wird.
Ganz anders in der Wüste. Dort gib es Nichts, was Lärm verursachen könnte. Nicht einmal Geräusche. Von wenigen Vögeln abgesehen, deren Gesang morgens den Reisenden weckt. Selbst die Dromedare schreiten lautlos vorüber, gefolgt von einer Herde Ziegen. Nicht einmal die haben etwas zu meckern! Es scheint, als ob keine Kreatur die himmlische Stille stören möchte. Abgesehen von den erwähnten 4WD-Fans und Reisenden in monströsen, grauen Kisten.
Da ich von dieser Etappe kaum etwas Neues zu berichten habe - die Infos zur letzten Marokko-Tour findet ihr hier -, möchte ich euch - quasi als Ausgleich - ein paar Augenblicke dieses Seelenfriedens schenken. Holt euch also eine gute Tasse Tee (wahlweise Kaffee), stellt das Telefon ab, und lehnt euch entspannt zurück. Betrachtet die Bilder und taucht gedanklich ein in die Leere, in die Stille der weiten Wüste ...
Stille ist einer der Vorzüge der Wüste. Wenn man möchte, kann man auch die Errungenschaften des modernen Lebens abschalten: Telefon, Fernsehen, Internet, Social Media. Hält man das ein paar Tage durch, richtet sich der Blick fast automatisch nach innen. Versucht die wichtigen Dinge des Lebens zu klären. "Welche Regionen der Welt willst du noch bereisen?", "Was hast du aus deinem Leben gemacht?", "Was ist überhaupt der Sinn des Lebens?" [1] und ähnliche Belanglosigkeiten ...
header [CNTRY] Ein See im Nirgendwo: Lac d'Iriki
Vom markanten Höhepunkt der dieswinterlichen Tour möchte ich doch noch in wenigen Worten berichten:
Niederschläge, die an der Gebirgskette des Hohen Atlas niedergehen, bilden Flüsse, die zum Großteil nach Südosten fließen. Einer von ihnen ist der bekannte Qued Drâa, der sich zunächst zweihundert Kilometer durch malerische, grüne Palmenoasen schlängelt, bevor er zwischen Zagora und M'Hamid abrupt gen Südwesten schwenkt.
Auf fast tausend Kilometern Länge bildet er von hier an die Grenze zu Algerien. Von Fluss allerdings kann keine Rede mehr sein: nach dem vielen Wasser, das die Bauern der Palmenoasen ihm entnommen haben, bleibt nichts mehr, was man - auch mit viel gutem Willen - so bezeichnen könnte. Regen ist ein Fremdwort, die Region ist ausgedörrt, haushohe Sanddünen und schwarze Steinebenen prägen das Bild. Bei Tan-Tan ergießt sich schließlich ein dünnes Rinnsal in den Atlantik.
Mitten in diesem Nicht-Fluss erstreckt sich ein langgezogener, malerischer See: der Lac d'Iriki. An seinen Ufern bietet ein halbes Dutzend Cafés eine atemberaubende Aussicht und offeriert marokkanischen Tee oder leckere Tajines. Im Schatten unter dem Palmwedeldach sitzen, den Blick schweifen lassen, am süßen Pfefferminztee nippen: was könnte es in der Wüste Schöneres geben? Dass der See nur noch auf antiken Landkarten existiert, tut dem Genuss keinen Abbruch.
Das haben auch die Tourismusmanager im fernen Rabat erkannt. Die Anstrengungen, Touristen in diese wahrlich wüste Gegend zu locken, sind nicht zu übersehen: hunderte Kilometer Wellblechpiste wurden geteert und rund um M'Hamid entstand ein gutes Dutzend Camps, in denen gut betuchte Reisende im Tausend-Sterne-Hotel nächtigen dürfen [2]. Champagner, Trüffel, Kaviar und Lachs eingeschlossen: Dinge, die der karge Wüstenboden eben so hergibt!
Für Interessierte die wichtigsten Koordinaten der Querung des Lac d'Iriki:
Zeit | Ort | km's | Lattitude | Longitude |
---|---|---|---|---|
09:00h | Foum Zguid Markt | 177987 | N30°05,101' | W006°52,372' |
09:05h | Foum Zguid - Abzweig #1 | 177990 | N30°04,027' | W006°51,990' |
09:10h | Foum Zguid - Abzweig #2; Ende Teer; Piste steinig und hart | 177991 | N30°03,615' | W006°52,162' |
10:30h | Kleines Wadi - Piste schwenkt SO | 178012 | N29°53,708' | W006°46,072' |
11:00h | Wadi mit Brunnen - Kontrollpunkt auf dem Berg; Piste ruppig | 178019 | N29°52,001' | W006°47,717' |
12:00h | Piste mündet in weite Ebene; Piste sandiger | 178029 | N29°50,346' | W006°36,915' |
12:35h | Mitten auf dem See - Piste Richtung 60°; Piste eben | 178041 | N29°53,486' | W006°30,538' |
13:15h | Lac Iriki - Café #3; Piste eben und schnell | 178053 | N29°56,128' | W006°24,335' |
Nächster Fahrtag: | ||||
09:45h | Beginn niedrige Dünen; Piste sandiger | 178075 | N29°57,234' | W006°20,933' |
11:00h | Ende Dünengebiet - Harter Grund (Fluss) | 178091 | N29°52,254' | W006°14,066' |
11:20h | Piste im 'grünen Feld' (Hauptpiste schwer erkennbar) | 178095 | N29°51,106' | W006°12,394' |
11:45h | Niedriger Pass zwischen zwei Ebenen; Piste ruppig | 178102 | N29°50,081' | W006°09,241' |
12:15h | Piste Richtung 0°; Oase D'Oum Lâalag; danach Piste Richtung 90°; Piste steinig | 178109 | N29°52,652' | W006°07,369' |
13:30h | Wadi mit steiler Zufahrt; Piste holprig | 178117 | N29°51,610' | W006°03,747' |
14:15h | Betonbrunnen (früher Camp); Piste sandig | 178126 | N29°50,774' | W005°58,967' |
15:15h | Piste führt durch grüne Wiesen; Piste sandig | 178137 | N29°50,318' | W005°52,467' |
17:00h | Camp/Herberge am Pistenrand; Piste holprig mit Sand | 178150 | N29°50,156' | W005°45,244' |
Nächster Fahrtag: | ||||
09:30h | M'Hamid Center (Beginn Teer) | 178153 | N29°49,664' | W005°43,674' |
Viel zu schnell sind die zehn Wochen 'Winter in Marokko' Schnee von gestern. Bei fünfundzwanzig Grad und strahlendem Sonnenschein fällt es unsäglich schwer, die Heimreise in ein tief verschneites Bayern anzutreten! Aber Termine mit deutschen Behörden sind bekanntlich nicht verhandelbar.[3] Also die letzten Tage im Süden bei azurblauem Himmel genießen - es gab seit zehn Wochen keine einzige Wolke am Himmel! - dann geht es auf schnellen Straßen gen Norden zur Fähre.
Die Offiziellen, die mich gegen Ende der letzten Tour gehörig genervt hatten, halten sich diesmal genauso zurück wie Petrus, der bei der Fahrt gen Süden tagelang nur prasselnden Regen beschert hatte. Alles in allem ist die diesjährige Tour durchaus dazu angetan, an eine Wiederholung zu denken.
Aber es gibt noch andere hübsche - und stade - Flecken auf dieser Erde! So bin ich nun gespannt wie der berühmte Flitzebogen auf eine Destination, die von der Trockenheit der Wüste nicht weiter entfernt sein könnte! Wasser oben und unten, vorn und hinten, rechts und links. Ein echtes Kontrastprogramm! Und mit der Lady Grey beim besten Willen nicht zu bereisen! Das Ziel möchte ich noch nicht verraten, aber ihr dürft gespannt sein, was ich von dort zu berichten habe. Vielleicht wird es mehr sein als 'Stille'.