Salango (Ecuador) (GPS: 01°35,954'S; 080°51,121'W)
Der Blick schweift über die Bucht von Salango. Im tiefblauen Wasser dümpeln zwei Dutzend der langen Fischerboote. Dazwischen ein paar schneeweiße Yachten der Ausflügler und honiggelbe Kutter. Die versorgen die kleine Fischmehlfabrik mit Nachschub. Futter für die Shrimps, die in zahllosen Becken gezogen werden und den Bewohnern einen kleinen Wohlstand bescheren. Niedrige Wellen brechen sich am sichelförmigen Sandstrand. Dahinter verdorrtes Grün und ein paar niedrige Hügel. Ausläufer eines winzigen Anden-Ablegers, der sich durch die Niederungen der Costa zieht.
Für Minuten lugt die Äquatorsonne durch die Wolken. Der Boden dampft. Dann versinkt alles wieder im tristen Grau. Nahtlos geht der graue Himmel in ein graues Meer über. Eine sanfte Brise schiebt die Wolken gegen die Hügel. Es nieselt beständig. Trotzdem braucht's keinen Regenschirm. Das Nass verdampft, ehe es sich irgendwo sammeln kann. Das Land ist alles andere als Grün. Agaven, Kakteen und Tamarisken beherrschen das Bild.
Ganz durch Zufall bin ich auf dem Camp Islamar gelandet, den Carlos und Patricia betreiben. Eine Dusche, zwei Aborte und ein winziges Restaurant sind der ultimative Luxus an der Westküste Ecuadors. Kaum ein ausländischer Tourist verirrt sich bislang hierher. Und die Einheimischen bleiben viel lieber in ihren Ferienwohnungen und Hotels rund um Salinas oder gehen zum Surfen nach Maglaralto. Der Camp ist der ideale Platz, um mal wieder ein paar Zeilen zu schreiben. Die letzten Wochen Revue passieren zu lassen.
Beste Reisezeit [PER] Die beste Reisezeit für Peru fängt Ende März an! Noch mehr als drei Monate. Da heißt es Geduld haben. Und die Annehmlichkeiten eines netten Camps genießen! Auf die Gefahr hin, mich zu wiederholen, kann ich für derartige Fälle die Finca Sommerwind wärmstens empfehlen! Wenn ihr also eines Tages gerade am Weg seid ...
Auf gut 2200m Höhe gelegen, ist das Wetter optimal: tagsüber warm genug, um die kurze Hose hervor zu kramen, abends kühl genug, um das Lagerfeuer zu genießen und nachts kalt genug, um erholsam zu schlafen. Dazu sonntags frisch gebrühten Kaffee und Patricias selbst gebackene Kuchen. Unter der Woche kommt täglich frisches Brot aus dem Ofen. Lange habe ich mich auf einem Campingplatz nicht so wohl gefühlt! Nach zweieinhalb Jahren fast permanent auf Achse ist es an der Zeit, mal eine Pause einzulegen. Durchschnaufen. Abstand gewinnen. Erholen. Schließlich steht auch jedem Reisenden tariflicher Urlaub zu!
Ab und zu kommen neue Traveller an ... und schon gibt es wieder eine Menge zu erzählen! Wie Dennis und Ida auf Ihrer 200-er Suzuki, wie Manfred und Rosita in ihrem Magirus M130-D9, wie Felix und Jasmin, die ihren VW-Bus verkaufen wollen ... oder Claudia und Martin, die mit ihrem VW-Bus ebenfalls auf dem Weg um die Welt sind. Mit meiner Fast-Namensvetterin aus der Schweiz verstehe ich mich prächtig und wir verbringen manchen Tag bei intensiven Gesprächen über Gott und die Welt.
Ich gestehe, dass ich im Moment keinen großen Drang verspüre, von hier wegzukommen. Nachdem ich die letzten beiden Weihnachten allein und JWD verbrachte, habe ich mir vorgenommen, dieses Jahr in menschlicher Gesellschaft zu feiern. Welch angenehmeren Platz könnte es dafür geben als die Finca. Zudem stellt Hans, der Eigentümer und Organisator, einen leckeren, selbstgebackenen Stollen für die Festtage in Aussicht.
Warum, so frage ich mich, soll ich da schon wieder weglaufen? Oder wegfahren? Vielleicht ist Weihnachten in Gesellschaft gar nicht soooo schlimm? Also vergeht ein Tag nach dem anderen mit tollen Gesprächen, aber auch mit ein paar Arbeiten an der Lady Grey, am Computer oder an Martins Auto. Die Zeit vergeht wie im Flug ... und bevor ich mich recht versehe, steht der Weihnachtsmann vor der Tür. Mit langem Bart, mit rotem Kostüm und tiefer Stimme fragt er uns, ob wir denn alle brav gewesen seien. Aber, natürlich .....
Hans ist es auch, der seine Beziehungen spielen lässt und uns kurz vor den Feiertagen zu einem kleinen Ausflug an die Küste anstiftet. An die Grenze zu Kolumbien, ins Tiefland, an die Costa, wie das hier genannt wird. Er hat Sehnsucht nach Nass von oben.
Seit sechs Monaten ist kein Tropfen Regen gefallen. Alle im Tal klagen über die Trockenheit. Die Wiesen und Bäumchen der Finca müssen zweimal pro Woche gewässert werden. Auf den Hügeln ringsum ist von Grün wenig zu sehen. Dabei sind wir mitten in der 'kleinen' Regenzeit Ecuadors. Doch jedes Tal hat sein eigenes, lokales Klima. Ibarra scheint dieses Jahr das trockene Los gezogen zu haben.
Warum also nicht zwei Tage an die Pazifikküste fahren, um die Erinnerung aufzufrischen, wie sich Regen anfühlt. Hans, unser Reiseführer von der Finca will uns dabei auch noch eine Menge interessanter Dinge zeigen, die es nur dort unten, an der äußersten Nordwestecke Ecuadors, dicht an der Grenze zu Kolumbien gibt: die höchsten Mangrovenwälder Südamerikas, eine wenig bekannte archäologische Grabungsstätte, Kokosnüsse frisch vom Baum, eine Fabrik für Lebkuchen, eine andere für Kakao. Dazu Klänge einer Marimba-Band und die leckerste Meeresfrüchteplatte, die ich je gegessen habe.
Über Lita und Alto Tambo geht's im offenen Jeep bei flotter Fahrt den Ostabhang der Cordillera Oriental hinunter. Mit jedem Kilometer wird die Landschaft grüner, der Wald dichter, die Temperatur höher - und die Menschen schwärzer. Im wenig entwickelten Nordwesten des Landes hatten die entlassenen Sklaven der zahlreichen Zuckerrohrplantagen eine neue Heimat zugewiesen bekommen. Zwischen dem tiefen Schwarz der Afrikastämmigen und dem dunklen Braun der Menschen von den Antillen sind die sechs blonden Mädels unserer Gruppe nicht zu übersehen! Überhaupt verirrt sich kaum ein ausländischer Tourist in diese Gegend! Dabei sind die Menschen ausgesprochen nett - vielleicht noch eine Spur netter als die restlichen Ecuadorianer.
An Morgen weckt uns der 'ersehnte' tropische Regen und wirbelt erst einmal das ganze Programm durcheinander. Sonst regnet es allenfalls mal ein bis zwei Stunden am Abend, heute früh aber will der Regenguss partout nicht aufhören. Den halben Tag im offenen Boot bei strömendem Regen: das mag keiner von uns wirklich gern und wir suchen schon nach Alternativen. Doch Petrus hat ein Einsehen und schiebt zumindest die schwärzesten Wolken beiseite und zaghaft bahnen sich einzelne Sonnenstrahlen ihren Weg durch das lichter werdende Grau.
Es gibt viel zu sehen im 'Ökoreservat' Cajapas - Mataje - wobei das meiste nur mit dem Boot zu erreichen ist. Den ersten Stopp auf unserer Tour mit dem 'Lancha', dem bewährten Langboot legen wir in La Tolita - Pampa de Oro ein. Seit über 3000 Jahren wird in der weitläufigen Wasserlandschaft hochwertiger Ton gewonnen und zu herrlichen Gefäßen und Figuren verarbeitet. Tag für Tag legen die Gezeiten zwischen dem Schlick der Jahrhunderte neue Knochenreste, Tonscherben, Artefakte und prächtige Tonfiguren aus längst vergangenen Jahrhunderten frei. Antonio, der hiesige Archäologe hat über die Jahre hinweg -zig Tausende Relikte früherer Bewohner für sein winziges, beeindruckendes Museum zusammengetragen. Wortreich erzählt er uns Details zu den damaligen Bewohnern: viele von ihnen hatten weiße Haut, waren großgewachsen und blond gewesen. Und hätten viele Jahrhunderte vor den Inka hier gelebt.
Neben Tonscherben und Knochenresten birgt der Fluss ein weiteres Geheimnis - für viele verlockender als 'das alte Zeug': Gold. Von den vulkanischen Erzadern des Hochlands spült der Fluss ständig neues Gold heran. Kaum ein Tag vergeht, an dem nicht kleinere und größere Nuggets gefunden werden und manch ein Einwohner des 300-Seelen-Dorfs hat damit schon sein Glück gemacht. Vor vielen Jahren wurde sogar eine 40 x 40 cm messende massive Goldplatte gefunden, verziert mit dem Relief des Sonnengotts der Inka. Eine Hälfte davon ist heute im Museum in Quito zu bewundern, die andere Hälfte bleibt auch nach Jahrzehnten verschollen.
Da man hier so viel Schönes und Interessantes entdecken kann, wurde die Gemeinde letztes Jahr zum 'Touristenmagnet' erkoren. Daraufhin wurde zumindest die Dorfstraße betoniert - man versinkt jetzt nur noch an ganz wenigen Stellen im Schlamm - und das Dorf erhielt drei hochmoderne 'Speedboote' geschenkt, um die Touris von nah und fern zu den Sehenswürdigkeiten zu bringen. Der große Zustrom allerdings lässt auf sich warten und die nagelneuen Boote verrosten im Schlick. Wenn man in Ibarra oder Quito aber nach einer Tour nach La Tolita fragt, erntet man nur Staunen und Verwunderung. Das Dorf ist bei den Touranbietern völlig unbekannt.
Vorbei an windschiefen Bretterhütten der Bauern und Arbeiter in den Kokosplantagen braust unser schnelles 'Lancha' über breite Flussarme, die zusehends schmaler werden. Die Kokospalmen rücken näher, an manchen Stellen zeigen sich ein paar Hektar Regenwald am Ufer. Schließlich biegen wir in einen schmalen, brackigen Wasserarm ein, in dem so manche Mitfahrer die Nasen rümpfen. Der Motor wird abgestellt und lautlos gleiten wir durch den dichten Laubwald, der sich links und rechts erhebt. Fast wie ein Auenwald am Ufer der Donau. Zwanzig Meter hohe Bäume recken ihre grünen Wipfel der Sonne entgegen. Das besondere aber sind die Wurzeln dieser eigenartigen Bäume: ein undurchdringliches Gewirr von schwarzen Luftwurzeln strebt vom Stamm, der erst in ein, zwei Metern Höhe beginnt, zum Boden und stützt ihn. Es sieht aus, als ob ein fleißiger Gärtner das gesamte Wurzelwerk freigelegt hätte. Alles was sonst unterhalb der Erde verläuft, ist hier klar erkennbar. Wir sind in einem Wald voller Mangrovenbäume. Den höchsten der Welt, wie uns Sergio, der Bootsführer stolz erzählt. Tiere übrigens sind in diesem, bei Flut großteils überschwemmten Dickicht Mangelware. Nur Tausende kleiner Flusskrabben wimmeln zwischen den Wurzeln im Schlamm herum - geschützt vor ihren Feinden, vor Vögeln und Reihern.
Auf dem Rückweg nach Borbón hat Hans noch zwei Besonderheiten anzubieten: das erste ist eine 'Lebkuchenfabrik'. Direkt am Fluss, über den die Rohmaterialien billig herangeschafft werden können, haben sich vier Familien zusammengeschlossen und betreiben eine Cocaderia. In schweißtreibender Handarbeit bereiten sie die Ausgangsmaterialien für die süßen, leckeren und zu hundert Prozent natürlichen Cocadas vor: Erdnüsse werden kleingeschnitten, Kokosnüsse werden aufgeschlagen und das weiße Fleisch geraspelt, Zuckerrohr wird gepresst und sein Saft über dem Holzkohlefeuer langsam eingedickt. Danach kommt alles in große Kupferwannen, wird gut vermischt, weiter eingedickt und in Formen gepresst, die an unsere Schokoladentafeln erinnern. Ein, zwei Tage an der Sonne lassen daraus die fertigen Cocadas werden. Für eineinhalb Euro kann man sie direkt vor Ort erwerben - oder für sechs Euro im Supermarkt. Sie schmecken nach Zimt und Honig und ersetzten uns am Heiligen Abend die Lebkuchen.
An Abend bekommen wir noch eine überraschende Kostprobe von
Danielo,
dem Kopf einer lokalen
Marimba-Band
(Madeira Metallica).
Die Band gibt nicht nur weltweit Konzerte vor ausverkauften Häusern, sondern übt auch
eifrig mit dem musikalischen Nachwuchs des Orts, zeigt den Jungen und Mädchen die Schritte der alten Tänze aus Afrika
und von den Antillen - das Ganze in einem "Übungsraum" von vielleicht 20m2, in dem sich dann
30 bis 40 junge Tänzer drängeln! Ein wirklich beachtliches Engagement!
Zurück am Sandstrand von
Las Peñas
wartet ein weiterer Höhepunkt der überaus gelungenen Tour auf uns.
Zwei riesige Platten voller Meeresfrüchte: Rotfisch und Garnelen, Tintenfisch und Muscheln, Krabben und Langusten.
Alles fangfrisch direkt vom Boot, mit leckerer Marinade und würzigem Reis serviert. Hmmmmmmmmm! Selbst mit acht
hungrigen Mündern haben wir Mühe, diese Mengen zu verdrücken. Von den leckeren Dingen etwas übrig lassen
wollen wir allerdings auch nicht! Den Abschluss des Abends bilden dann ein paar
Piñacoladas
oder
Cuba-Libres
in der Bar nebenan. Manchmal ist das Leben wirklich hart!
Lecker und nahrhaft geht's am nächsten Tag weiter: der Besuch einer
Kakaoplantage
steht auf dem Stundenplan.
Nach dem weltweiten Verfall der Preise für Bananen und Zuckerrohr ist Kakao zur
Haupterwerbsquelle der Bauern im Tiefland Ecuadors geworden. Heute einer der lukrativsten Geldanlagen.
Schon nach drei bis vier Jahren tragen frisch gepflanzte Kakaobäume die ersten Früchte. Die sind
leicht zu pflücken und direkt vor Ort werden aus den großen, handlichen Früchten die bonbongroßen Samen herausgepult.
Nur sie sind für die Weiterverarbeitung interessant.
Noch von ihrer schleimigen, aber leckeren Hülle umgeben, werden die Samen in große Säcke verpackt und
nach ein bis zwei Tagen zur Sammelstelle gefahren. In der Sonne werden sie einen Tag lang vorgetrocknet
bevor sie zwei weitere Tage auf einer beheizten Dörre ihren "letzten Schliff" erhalten.
Über allem schwebt der süßliche Duft des Kakaos und dem Besucher fließt schon das Wasser im Mund zusammen.
Die abschließende Verarbeitung findet allerdings erst in den Verbraucherländern (meist Deutschland oder Schweiz) statt.
Von einer leckeren Tafel
Milka
oder
Toblerone
können wir weiterhin nur träumen.
In Gedanken eine Tafel Schokolade auf der Zunge klettern wir die gute Straße zurück ins Hochland, in dem uns nicht nur ausgedörrte Bergrücken erwarten, sondern auch so dünne Luft, dass uns das Atmen wieder schwerfällt. Regenwolken aber sind hier oben so rar, dass wir uns wünschen, einen warmen Regenschauer von der Küste hätten mitnehmen können! Die Natur hätte sich sicher gefreut!
Toller Jahresabschluss: die Cordillera Occidental
Die Wetten stehen 6:1 gegen mich! Nach drei erholsamen Wochen auf der Finca Sommerwind kann ich mich kurz vor Jahreswechsel doch tatsächlich losreißen. Zu viel gibt es in diesem herrlichen Land noch zu sehen!
Angefangen bei der landschaftlich reizvollen Fahrt zum Thermalbad Qyacachi. Das Bad ist nicht wirklich ein Geheimtipp, aber als Frühaufsteher kann ich das bis zu 50 Grad heiße, schwefel- und eisenhaltige Wasser genießen, bevor mir gegen Mittag (zu) viele Einheimische Gesellschaft leisten wollen. Direkt an der Therme kann man zwar auch gemütlich campieren, aber mich zieht es mehr ins karge, windgepeitschte Hochland hinauf, wo der Blick über abgelegene Hochtäler und - mit etwas Glück - zu schneebedeckten Vulkangipfeln schweifen kann.
Ein paar einsame Schafe - und die ersten Llamas, die mir in Südamerika begegnen. Sonst findet sich hier oben kaum ein Tier. Zu trocken, zu karg, zu staubig ist das Land. An den Berghängen aber winden sich uralte, gut unterhaltene Wasserrinnen, die das wenige Nass zu den abgelegenen Felder der Indigenas leiten, auf dem sie ein paar Süßkartoffeln, Zwiebeln oder etwas Lauch anbauen. Mehr gibt der Boden auf fast 4000m Seehöhe einfach nicht her! Trotzdem wohnen bis in die höchsten Regionen diese genügsamen Menschen. Oder haben etwa auch sie ein Faible für die weiten, offenen Landschaften?
In der Nacht rüttelt der Sturm die Lady Grey heftig durch. Am Morgen aber klart es schnell auf, die letzten Wolken ziehen sich hinter die westlichen Bergrücken zurück und bei strahlendem Sonnenschein rolle ich die einsame, holprige Piste zu einem alten Vorposten der Quitu-Cara. Über das alte Volk ist herzlich wenig bekannt, doch hatten sie lange vor den Inkas die strategisch günstige Lage des langgestreckten Hochtals erkannt, in dem heute die Hauptstadt Quito liegt. Oberhalb der wichtigen Handelsroute hatten sie einen militärischen Vorposten errichtet - und vermutlich den Handel kontrolliert. Heute genießt man von oben die prächtige Aussicht über El Valle, den neuen Flughafen und die hochgelegene Hauptstadt des Landes.
Der letzte Tag des Jahres hält noch so etwas wie einen krönenden Jahresabschluss bereit. Bei Latucunga am Fuß des majestätischen Cotapaxi, dem derzeit aktivsten Vulkans Ecuadors, geht es rechts ab und die gut ausgebaute Straße klettert in steilen Serpentinen auf über 4000m Seehöhe. Danach geht es durch eine wundervolle, abwechslungsreiche Berglandschaft mit schroffen Gipfeln und einsamen Bergdörfern nach Westen. Auch die Indigenas feiern natürlich Silvester: in jedem noch so winzigen Dorf versammeln sich die bunt kostümierten Jugendlichen, die Dorfkapelle spielt lautstark auf und die vorbeikommenden Autofahrer werden gestenreich um eine kleine Spende gebeten. Später werden kleine und größere Strohpuppen verbrannt, um sich symbolisch von den Sünden des vergangenen Jahres zu reinigen. Das wichtigste aber ist - wie könnte es in Lateinamerika anders sein - das leibliche Wohl! Gegen einen symbolischen Obolus bekommt jeder einen gut gefüllten Teller und einen Becher in die Hand gedrückt. Das neue Jahr will schließlich keiner mit leerem Magen begrüßen!
Wenig später sind zwei weitere landschaftliche Leckerbissen zu entdecken. Die Schlucht von Del Taochi hat sich an die hundert Meter tief in den Tuff des Yanaurcu-Vulkans eingegraben und bildet ein imposantes 'Tal im Tal'. Wenig später klettert die Straße noch einmal steil hinauf durch trockene, karge, kakteenbestandene Hänge zu einem der wohl meistbesuchten Seen des Hochlands: zum Lago Quilotoa. Wie ein blau schimmerndes Juwel liegt er in einem schroffen, seit Jahrhunderten erloschenen Vulkankrater auf 3800m Höhe. Ganz fitte Menschen können den See auf einem - im wahrsten Sinn des Wortes - atemberaubenden Weg umrunden und aus luftiger Höhe den Kajakfahrern zusehen, die an den steilen, felsigen Ufern entlangpaddeln.
Der Sektkorken knallt, während drüben in Auckland, am andern Ufer des Pazifik der erste Tag des Jahres schon fast wieder der Vergangenheit angehört. Die Musik in den Dörfern verstummt, als wolle man das Neue Jahr nicht gleich verschrecken.
Neujahr 2016 am Lago Quilotoa [ECU] Wir schreiben das Jahr 2016. Also das alte Jahr noch einmal kurz Revue passieren lassen ... und Vorsätze fürs neue fassen:
- Die Lady Grey weiterhin auf Vordermann halten!
- Langsam reisen! (Das neue Reiseplanungstool ist fast fertig)
- Begegnungen suchen und Freundschaften zulassen!
- Die Ziele dieser Reise nicht aus den Augen verlieren!
Einer der steilsten Passstraßen Ecuadors bringt mich von 4100m Seehöhe hinunter auf Meeresniveau. Durchschnittliches Gefälle über 12%! Kein einziges waagerechtes Fleckchen zwischendurch. Ein Hoch auf die unermüdliche Motorbremse der Lady! Unten an der 'Costa' ist es aber wieder nur heiß und feucht. Bananenplantagen und Ölpalmen bestimmen das Bild - nicht gerade eine der malerischsten Landschaften! Also bei Babahoyo wieder links abbiegen, runterschalten und wiederum 4000m hinaufklettern. Am nächsten Abend finde ich mich am Fuß des höchsten Gipfels des Landes wieder: dem Chimborazo. Mitten in einer ausgedörrten, wüstenartigen Hochebene auf 4300m Seehöhe. Doch auch hier in luftiger Höhe überragt mich der Berg um weitere 2000 Meter! Das Wetter ist mir hold und zeigt mir den vergletscherten Vulkangipfel einige Stunden lang ganz ohne Wolken! Dazu grasen Dutzende graziler Vicuñas direkt vor meiner Haustür: ich kann mein Glück kaum fassen. Dass es nachts bitterkalt wird nehme ich dafür gerne in Kauf.
Am Morgen erwacht die Lady Grey nur widerwillig und mit weißen Rußwolken zum Leben, bringt mich dann aber brav hinunter nach Riobamba, wo die Menschen feierlich das neue Jahr begrüßen. Wir schreiben den sechsten Januar und sie versuchen, die Götter für den Rest des Jahres gütig zu stimmen. Ein unerwartetes, farbenfrohes Spektakel!
Der nächste Stopp soll
Baños
sein, das Outdoor-Mekka aller Ecuador-Reisenden. Klettern, Rafting, Bungee, Canyoning, Canopy:
alles was den Adrenalinpegel hebt, wird angeboten. Vor allem aber versetzen die Preise die Stresshormone in Wallung. Unter 200 Euronen
ist so gut wie nichts zu bekommen - abgesehen von einem heißen Bad in den Thermalquellen des Orts.
Der auf iOverlander versprochene
ruhige Standplatz ist einer Großbaustelle zum Opfer gefallen und am Morgen verspüre ich nach einer unruhigen Nacht wenig Lust,
eine Runde im heißen Wasser schwimmen zu gehen! Dann doch lieber wieder etwas 'Kultur'!
Die nördlichste Festung der Inka: Ingapirca
Die Inka, dieses berühmte und sagenumwobene Volk aus dem Süden des heutigen Peru hatte kurz vor Ankunft der spanischen Conquistadores sein Herrschaftsgebiet weit nach Norden ausgedehnt. Als Schutz vor dem feindlichen Volk der Cañari errichten die Inka nördlich des heutigen Cuenca ein für damalige Zeiten imposantes Fort: Ingapirca. Übersetzt heißt das schlicht 'Fort der Inka'. Heute die größte Stätte seiner Art in Ecuador, wenngleich sie mit den Monumentalbauten in Machu Picchu, Cuzco oder Vilcabamba in Peru kaum vergleichbar sind. Ein interessanter Ort, obwohl weder das angegliederte Museum noch die Führer allzu viel Licht ins Dunkel der Geschichte um die Bauwerke bringen können.
Interessant ist vor allem der Sonnentempel, wo ich zum ersten Mal die Bauweise der fugenlosen Steine bewundern kann, die von den großen Inkastätten in Peru ja gut bekannt ist. Tatsächlich sind die Steine des Tempels so dicht und fugenlos gesetzt, dass nicht einmal die Schneide eines Messers zwischen die Steine passt. Auch ohne Mörtel sind die fast einen halben Meter dicken Mauern solide und 'unkaputtbar'. Offenbar war diese Bauweise aber wesentlich aufwändiger als die normale Bauweise, denn man findet sie ausschließlich an der Einfassung des Sonnentempels. Dort, wo die Priester und Noblen ihre Macht demonstrieren wollten (mussten?). Alle anderen Bauten bestehen aus grob behauenen Steinen aus der Umgebung, deren Zwischenräume mit einer Art 'Mörtel' verfüllt sind. Vermutlich als Schutz vor Wind und Wetter wurden zudem die Oberseiten der Fundamente mit großflächigen Mörteldeckeln versehen, sodass man heute kaum mehr einen Eindruck davon bekommt, wie die einfachen Gebäude früher ausgesehen haben mochten. Trotz allem ein informativer Abstecher und ein toller Vorgeschmack auf das, was mich hoffentlich in Peru noch erwartet!
Die schönste Stadt Ecuadors: Cuenca
"Auf dem Weg von Quito nach Peru kommen Sie an Cuenca nicht vorbei!" verspricht der Reiseführer. Klar, liegt Cuenca doch direkt an der Panamericana, auf halbem Weg zwischen der Hauptstadt und der peruanischen Grenze. Doch Cuenca ist mehr als ein nettes Etappenziel!
Mit dreihundert tausend Einwohnern ist sie groß genug für eine richtige Stadt, aber klein genug, um halbwegs gemütlich zu wirken. Dazu übersichtlich genug, um die wichtigsten Sehenswürdigkeiten zu Fuß abzuklappern (die meisten konzentrieren sich eh auf die nördlich des Flusses gelegene Altstadt.) Daneben bietet Cuenca eine ganze Reihe von Museen und ein Klima des 'ewigen Frühlings'. Kein Wunder, dass die Leute hier ungezwungen und fröhlich sind - und einem Schwatz mit Touristen nicht abgeneigt.
Am Allerliebsten aber feiern sie! Welch besseren Anlass gäbe es dazu als den ersten Sonntag nach Epiphanias.
Am sechsten Januar mussten die meisten Ecuadorianer arbeiten ... und die Kinder zur Schule gehen.
Also holt man das Feiern am Sonntag nach!
In einem feierlichen Gottesdienst werden insbesondere Jungen und Mädchen gesegnet. Anschließend ziehen sie
in einer farbenprächtigen Prozession quer durch die Stadt - alle im besten Gewand, fesch herausgeputzt und auf dem Rücken
geduldiger Pferde. Die Kids sind die Stars des Tages - auch wenn manche von ihnen vermutlich gar nicht recht verstehen,
was da um sie herum vor sich geht. Riesigen Spaß macht es trotzdem!
Die meisten Geschäfte und Restaurants sind geschlossen. Eine Rarität in Ecuador: denn ein Sonntag ohne tolles Essen im Kreise der Familie - am liebsten in einem angesagten Restaurant - ist kein gelungener Sonntag!!
Eine gute Gelegenheit für mich, die Stadt ohne großen Trubel zu erkunden. Was schon von meinem Aussichtspunkt hoch über der Stadt ins Auge fiel: nicht weniger als zweiundfünfzig Kirchen, Klöster und Konvente beherbergt die Stadt. Eine echte Meisterleistung! Oder mussten die früheren Bewohner so oft beten, um Vergebung für ihren lockeren Lebenswandel zu erlangen? Wie auch immer: bis zur nächsten Kirche ist es nirgends weit! Die neueste und größte von ihnen - wenn auch nicht eben die ansehnlichste - ist die backsteinerne Kathedrale aus den 50-er Jahren des letzten Jahrhunderts. Ganz offenbar hatte sich auch hier wieder jemand gewaltig verrechnet: angeblich war die Statik zu schwach und beide Türme mussten auf halber Höhe beendet werden. Es könnte aber auch am Geld gelegen haben. Jedenfalls ist das Bauwerk nach wie vor unvollendet und erinnert ein wenig an eine billige Kopie von Notre-Dame de Paris.
Gleich neben der neuen Kathedrale reihen sich imposante Stadthäuser rund um den zentralen Plaza de Armas, in denen heute die Stadtverwaltung, sündteure Restaurants und 4-Sterne-Hotels Platz gefunden haben. Mittendrin eine Eisdiele, die mindestens ebenso viele Sterne verdient hat: die Heladeria Holanda! Wirklich empfehlenswert! Daneben gibt's reihenweise die bekannten doppelstöckigen Kolonialbauten der Spanier mit ihren (teilweise) sehenswerten Balkonen und den schattigen Innenhöfen. Nicht wirklich atemberaubend, trotzdem hübsch anzusehen ... auch wenn manchen von ihnen ein wenig frische Farbe gut zu Gesicht stehen würde.
In den alten Kolonialbauten verstecken sich auch einige der besten Museen des Landes. Der Reiseführer betitelt Cuenca gar zum "Athen von Ecuador": 'Museo de Banco Central' (archäologische Sammlung), 'Museo de Arte Religioso' (religiöse Kunstschätze), 'Museo de Arte Moderno' (moderne Kunst), 'Museo Municipal' (Geschichte von Cuenca). Das interessanteste aber ist in meinen Augen das 'Museo de las Culturas Aborigines': über fünftausend privat zusammengetragene Exponate belegen die Entwicklung der Völker dieser Region. Seit der Steinzeit (ca. 3500 B.C.) ist das Hochland Ecuadors besiedelt und die Entwicklung reicht bis hin zu den Inkas (ca.1500 A.C.). Aus allen Epochen liegen Zeugnisse einer ausgefeilten Kunst in den Vitrinen, können teilweise sogar angefasst werden.
Policia Transito heißt in ganz Lateinamerika die Verkehrspolizei. Über Personalmangel haben sie nirgendwo zu klagen. Fast bin ich versucht, das deutsche Sprichwort "Wer nichts wird, wird Wirt" zu ihren Gunsten umzumünzen. Jedenfalls stehen sie in allen Städten 'en masse'. An jeder Kreuzung sind sie mit zwei, drei, vier Männern (in seltenen Fällen auch Frauen) vertreten. Ja, manche von ihnen halten sogar den Verkehr am Laufen. Wenn sich allerdings gefährliche oder kritische Situationen anbahnen, schauen sie interessiert weg. Als ausländischer Reisender mit den eigenen Fahrzeug kommt man selten mit ihnen in Kontakt. Ab und an kontrollieren sie die Papiere, fragen interessiert nach dem Woher und Wohin, winken einen aber schnell weiter, wenn sie des ausländischen Kennzeichens gewahr werden.
In Guayaquil ist das alles anders! Guayaquil ist mit etwa drei Millionen Einwohnern die größte Stadt des Landes. Der überwiegende Teil von ihnen scheint der Transito anzugehören. Jedenfalls stehen sie in Scharen an den Ein- und Ausfallstraßen. Ihr besonderes Interesse scheint durchreisenden Touristen zu gelten. Innerhalb einer Stunde werde ich dreimal angehalten - und zweimal zur Kasse gebeten. Obwohl ich nichts erkennbar Falsches getan habe! Im Gegenteil: gerade in den Städten fahre ich konzentriert und hochgradig defensiv! Lieber fünfmal bremsen als einmal ein Taxi oder einen Bus touchieren (die hier wirklich fahren wie die Henker - trotz allgegenwärtiger 'Transito'!)
Beim ersten Mal hatte ich mir erlaubt, einen Polizisten auf seinem Moped anzuhupen, der mitten auf die Fahrbahn rauschte, ohne auch nur einen Blick auf den fließenden Verkehr zu vergeuden. Ich muss ergänzen, dass in Ecuador jeder hupt, wenn er einen anderen überholt. Also hatte ich mich nur 'angepasst' verhalten. Meine Erklärung dahingehend ignoriert er. Überhaupt sei meine Hupe viel zu laut und er hätte sich ganz furchtbar erschrocken ... kostet 106 US-Dollar. Plus 10 Tage Führerscheinentzug! Ohne Quittung allerdings würde es billiger! Ich bin so perplex, dass ich den wahren Hintergrund viel zu spät erkenne - wir einigen uns auf 60 US-Dollar (ohne Quittung).
Keine halbe Stunde später rolle ich - nach ein paar Umwegen und Haken schlagen - auf der 6-spurigen Straße aus Guayaquil hinaus. Als ich einen Roller mit 'Transito'-Fahrer bemerke, der mich hektisch herauswinken will. Erst einmal ignorieren ... Beim dritten Mal muss ich dann doch auf den Seitenstreifen. "Sie sind auf der mittleren Spur gefahren - und die Verkehrskameras haben alles aufgezeichnet". Kostet 354 US-Dollar. Wieder bin ich so perplex, dass ich völlig falsch reagiere. Wir einigen uns auf 100 US-Dollar! Dabei macht er fast einen Rückzieher, als ich mir demonstrativ sein Namensschild ansehe. Spätestens da hätte ich reagieren müssen! Ich Idiot! Als ich abends alles Revue passieren lasse, sind mir zwei Dinge sonnenklar: da steckt System dahinter! Touristen-Abzocke vom Feinsten!
Also "Äußerste Vorsicht mit der 'Transito' in und um Guayaquil !!!"
Nach diesem (teuren) Schreck bin ich froh, auf dem einsamen Camp von Islamar ein wenig Abstand finden zu können. Morgen früh aber soll es weitergehen in den äußersten Süden Ecuadors, zu einem versteinerten Wald ... und danach hinüber nach Peru, auf das ich mich schon ganz besonders freue. Nicht nur wegen der großartigen Wüsten! Ich hoffe, dass sich die Regenzeit dort so langsam trollt ...