Los Barriles (Mexico, Baja California) (GPS: 23°42,280'N; 109°42,178'W)
Tiefblaues Meer, soweit das Auge reicht. Die Sonne strahlt, harmlose Wölkchen schieben sich über den weiß-blauen Himmel. Reminiszenz an die Heimat! Weiße Schaumkrönchen zieren die wenigen Wellen. Der Wind bläst stetig mit drei bis vier Beaufort aus West. Ideale Bedingungen für Hunderte von Kitesurfern! Die meisten von ihnen hausen direkt am Strand, in Wohnwägen, Wohnmobilen, in Campern, ja sogar in Zelten. Den ganzen Winter über. Den kanadischen Winter über. Denn Schnee oder auch nur Temperaturen unter fünfzehn Grad (plus) haben hier Seltenheitswert. Schließlich sind wir in den Tropen!
Wer sich mehr als einen Wohnwagen leisten kann, lebt im RV-Resort unter schattenspendenden Palmen oder kauft sich ein luxuriöses Ferienhaus oberhalb des Strands mit Blick über die ganze Bucht. Noch sind die Wohnmobile in der deutlichen Überzahl, hier im kostenlosen Campground am Playa Norte von Los Barriles. Wenn man die Ansammlung von trockenen Büschen, Steinen, Felsbrocken und Campmobilen in dem ausgetrockneten Flussbett überhaupt so nennen mag. Eine urige Gemeinschaft ist's trotzdem! Jeden Abend lodert das Lagerfeuer vor einem anderen rollenden Zuhause.
Fast ausschließlich Canadier trifft man hier, die meisten aus BC oder noch weiter im Norden. Keiner von ihnen kann mit Regen, Schnee, Matsch oder Minus-Temperaturen etwas anfangen! Was ich gut nachempfinden kann! Deshalb trifft man sich allwinterlich am südlichsten Punkt des Kontinents, der problemlos erreicht werden kann: an der Südspitze der Baja California. Ihr erinnert euch vielleicht an die Grafik zur Bevölkerungsverteilung in Canada? Für den Winter sollte sie wirklich dringend überarbeitet werden!
Mein Blick schweift übers Meer und die zahllosen bunten Kites am Himmel. Meine Gedanken wandern zurück zum Jahreswechsel. Zurück nach Palm Springs und zum Joshua Tree National Park! Prangte dort nicht auf allen Ortsschildern stolz der Titel 'Südkalifornien'? Trotzdem waren die letzten Tage in den USA eher ein Fall für Sibirien oder das Yukon Territory gewesen! So kalt, dass ich jeden Tag die Heizung bemühen musste! Wie lange scheint das schon wieder her zu sein! Die Zeit verfliegt nur so!
Nachdem ich dort die nicht enden wollende Karawane von Giga-Wohnmobilen beobachtet hatte, die sich gleich nach dem Jahreswechsel wieder gen Norden wälzte, rolle ich selber am siebten Januar in entgegengesetzter Richtung. Nach Süden, nach Calexiko, an die Grenze zu Mexiko. Nun sollte auf der Baja ja wieder genug Platz für uns sein!
Nach den zahlreichen Horrorschichten, die mir die Kalifornier über Mexiko erzählt hatten, bin ich aufs Schlimmste gefasst. Geld und Wertsachen sind gut versteckt, das Fahrerhaus weitgehend ausgeräumt und das Pfefferspray liegt gleich obenauf!
Doch welche Überraschung! Jedermann und -frau ist freundlich und hilfsbereit! Keine Schlepper! Keine Halunken! Keine Zöllner, die bestochen werden wollen! Das Schlimmste, was passiert, ist, dass man Spanisch spricht. Ich krame meine fünf Brocken Grundwortschatz aus Cadiz hervor und - welch Wunder - die Grenzer freuen sich - und verstehen! In einer halben Stunde ist die Abfertigung überstanden, die Lady Grey erntet ein anerkennendes Kopfnicken und der Zöllner schaut flüchtig ins Innere.
Das zeitaufwändigste an der ganzen Prozedur ist der Weg zurück zur amerikanischen Grenzabfertigung, um mir den Ausreisestempel zu holen. Offenbar glauben die US-Amerikaner, dass jeder Reisende nach Mexiko voller Schreck auf dem Absatz kehrt macht und ins gelobte Land zurückkehrt. Da kann man sich den Aufwand der Aus- und Wiedereinreise gleich ganz sparen! Jedenfalls gibt's auf US-Seite keinerlei Abfertigung für Ausreisende!
Die ersten Kilometer in Mexiko sind ungewohnt: auf schmalen Straßen voller Schlaglöcher geht's quer durch die Millionenstadt Mexicali, die ausschließlich von Grenzgängern lebt. Wie Tichuana, dem größten Grenzübergang im Westen - genießt sie einen etwas zweifelhaften Ruf. Also schnell weiter, interessante Sehenswürdigkeiten sind eh Fehlanzeige! Schon an der Stadtgrenze wird die Straße besser und trägt uns auf vier Fahrspuren zügig nach Süden.
Schneller als erwartet liegt die unmittelbare Grenzregion hinter uns, der erste Militärposten ist passiert und die Hauptstraße zweigt nach Westen, zur Pazifikküste hin ab. Ich bleibe auf der MEX-5 und rolle ohne jeden Verkehr auf der anderen Seite der Halbinsel, an der Küste des Golfs von Kalifornien entlang. Ab und an lädt eine einsame sandige Bucht zum Bleiben, aber ich habe noch kein rechtes Gespür dafür, wo man stehen bleiben kann und wo besser nicht. Zumindest für die erste Nacht im neuen Land will ich auf Nummer Sicher gehen!
Campingplätze oder Hotels allerdings sind an der Ostküste Mangelware. Sieht ein Gebäude aus wie ein Hotel, stellt man beim Näherkommen schnell fest, dass es verlassen und halb bis ganz verfallen ist. Wie auch die kleinen Fischerhütten. Nirgends ist ein bewohntes Gebäude zu finden! Kurz vor San Felipe endlich die erste bewohnte, notdürftig reparierte Fischerhütte. Die Bewohner laden mich gleich zum Bleiben ein. Später erzählen sie mir von Hurrikan Odile, dem verheerendsten Wirbelsturm seit über zwanzig Jahren. Vor nicht einmal vier Monaten hat er just über der Baja California gewütet und Alles dem Erdboden gleichgemacht. Selbst solide Steinhäuser konnten ihm nicht widerstehen! Kein Wunder, dass hier keine intakte Unterkunft zu finden ist!
Die Landschaft hingegen ist grandios! Verfallene Hütten hin, verfallene Hütten her. Die Küste ist nirgends weit, im Westen begleiten die Bergrücken der Sierre da San Pedro die Straße und gelegentlich weicht der Teer einen Vulkankegel in weitem Bogen aus. Übermannshohe Giga-Kakteen stechen am ehesten - auch ins Auge. Dazwischen niedriges, unerwartet grünes Gestrüpp und niedrigere Kakteenarten. Nach der nächsten Straßenbiegung schaut alles wieder ganz anders aus: neu und immer wieder faszinierend. Eintönigkeit der Wüste? Fehlanzeige! Selten habe ich eine so abwechslungsreiche, dabei auch so grüne Wüste gesehen wie hier! Sicher ist daran der Hurrikan nicht ganz unschuldig!
Ihr erinnert euch an den Lac d'Iriki, den ausgetrockneten See im Süden Marokkos? So ähnlich sieht auch die Laguna de Chapala an der MEX-1 aus, die nach vierzig unerwarteten, staubigen und ruppigen Pistenkilometern erreicht ist. Der Anblick, die Ruhe und Abgeschiedenheit entschädigt allemal für die Kriecherei und Holperei der letzten Stunden. Auch wenn hier statt des Open-Air-Cafés nur ein paar Yucca-Trees zum Rasten einladen.
Aus der kurzen Rast werden schließlich fünf Tage!
Zum einem lockt die Umgebung im Parque National del Desierto Central zu netten Wandertouren inmitten wahrer Kakteenwälder ein, zum andern ist wieder ein Kapitel meiner Lebensgeschichte fällig, über die ich in der Abgeschiedenheit prima nachdenken kann. Eilig weiterzukommen habe ich es nun ja nicht mehr, darf ich doch volle sechs Monate in Mexiko bleiben, bei Bedarf sogar weitere sechs. Am Himmel tummeln sich obendrein finstere schwarze Wolken, die ab und an ihre Pforten weit öffnen und der Lady Grey den weißen Staub der Piste abspülen. Aber bei strömendem Regen fahren? Nein danke!
Vom geruhsamen Nationalpark in den Bergen und der Laguna de Chapala ist es nur noch eine kurze Tagesetappe bis zur ersten Sehenswürdigkeit der Baja California, die man um keinen Preis verpassen sollte.
Behütete Kinderstube der Grauwale
Mein Blick schweift aus dem Fenster, hinaus auf die Lagune. Da, ein glänzender Rücken im Wasser. Da noch einer. Dort eine Wasserfontäne, ein Blas. Ja, das müssen Wale sein! Gut ein Dutzend treiben gemütlich an der Oberfläche, lassen sich die warme Nachmittagssonne auf den pockenbesetzten Rücken brennen. Je länger ich aufs Wasser gucke, desto mehr der grandiosen Tiere kann ich ausmachen. Das müssen ja Hunderte sein!
Am nächsten Morgen erfahren wir auf einem Bootsausflug mit den Naturschützern mehr: an die sechshundert Grauwale tummeln sich gerade in der Lagune. Später, Ende März, sollen es sogar bis zu zweitausend Tiere werden! Die meisten sind Muttertiere, die hier Ihre Jungen zur Welt bringen. Auch ein paar Männchen sind dabei, die für den Nachwuchs des nächsten Jahres sorgen.
Im Sommer tummeln sich die Grauwale in den Gewässern vor Alaska und in der Beringstraße. Dort gibt's im kalten Wasser Nahrung im Überfluss und sie können sich eine dicke Speckschicht anfuttern. Die sie auf Ihrer dreimonatigen Wanderschaft von Alaska nach Mexiko auch dringend brauchen. Hier in den warmen Lagunen des Ojo de Lièbre an der Westküste der Baja California, wo das Wasser flach ist, wo der Zugang zum offenen Meer nur wenige Hundert Meter breit ist, hier sind die riesigen Säuger vor ihren Feinden weitestgehend geschützt. Der ideale Platz, um in Ruhe den Nachwuchs zur Welt zu bringen. Selbst vor den zweibeinigen Feinden sind sie sicher, denn das Biosphären-Reservat Desierto des Viscaínó liegt zum einen mitten in der mexikanischen Wüste (das interessiert zwar die Wale nicht, hält aber die Anzahl der Neugierigen klein) und ist zum anderen das größte und wohl bestgehütete Reservat ganz Lateinamerikas. Zu Recht, wie ich meine. Sogar Schwimmen im klaren, warmen Wasser der Bucht ist verboten, um die jungen Wale nicht zu stören.
Dabei sind die Walbabys schon bei der Geburt wahre Kolosse: siebenhundert Kilo wiegen sie im Schnitt, sind fünf Meter lang und die Rückenflosse misst schon schlappe zwei Meter. Mama Wal hat auch nach der Geburt noch viel zu tun: 250 Liter Milch verlangt das 'Kleine' pro Tag, schließlich soll es schon in drei Monaten den langen Weg nach Alaska zurückschwimmen, um sich dort richtig satt zu fressen. Noch aber schwimmen Mama und Baby ganz dicht, Seite an Seite, tauchen gemeinsam ab, tummeln sich aber die meiste Zeit nahe der Wasseroberfläche.
So nahe, dass sie ab und zu das Boot der Touristen anrempeln, sich sonst aber nicht stören lassen. Mir scheint, sie wissen, dass sie hier unter strengstem Naturschutz stehen und Keiner ihnen irgendein Leid antun wird. Aber interessant sind die winzigen, weißen Boote schon! Die Wale ihrerseits für die Insassen der Nussschale! Wenn die mächtigen Tiere gemächlich, ohne jede Hast oder Eile durchs Wasser gleiten, alle paar Minuten auftauchen, ihren Blas ausstoßen, neue Luft einsaugen, um elegant und lautlos wieder in die Tiefe zu gleiten.
Bei allem bleibt das Baby ganz dicht an Mutters Seite, wohlbehütet sowohl von Mama als auch von der Gruppe der anderen. Mit dem Boot treiben wir mittendrin, alle paar Sekunden bläst in anderes Tier. Ein anderes Rückenpaar - Mama und Baby - erscheint an der Oberfläche, um Sekunden - oder Minuten - später wieder abzutauchen. Wir wissen gar nicht, wo wir zuerst hinschauen sollen. Direkt um uns her tummeln sich an die zwanzig junge Familien.
Es ist ein wirklich beeindruckendes Schauspiel, den majestätischen Kolossen zuzusehen. So 'zum Greifen nahe' - im wahrsten Sinne des Wortes - kann man das wohl nirgends sonst auf der Welt erleben! Die Walsafaris, die in Canada und Alaska allenthalben angeboten werden, sind im Vergleich doch nur rausgeworfenes Geld. Mit einem guten Fernglas und viel Glück kann man dort vielleicht einen Grauen springen sehen, hier kann man die Kolosse hautnah beobachten, Ihnen im wahrsten Sinn 'ins Auge schauen' und gleichermaßen ihre Grazie und ihre unbändige Kraft bewundern.
'Bienvenido a La Paz' begrüßt mich ein paar Tage später ein großes leuchtendes Schild. Um ein Haar hätte ich dabei den Tope übersehen. Topes sind die Geißel aller Reisenden. Eine echte Zumutung! In jedem noch so kleinen Dorf sind sie anzutreffen. Vor jeder noch so harmlosen Kurve! Meist kommen sie nicht allein, oft gleich im Dutzend. Auch den hartnäckigsten Raser bremsen sie auf Schritttempo herab - alles andere wäre Mord am Fahrzeug. Häufig sind die - bis zu zwanzig Zentimeter hohen - Betonschwellen auf Schildern angekündigt und auffällig gelb angemalt. Genauso oft aber auch in schlichtem Schwarz gehalten und auf der Fahrbahn so gut wie unsichtbar. Also ist beim Fahren äußerste Konzentration angesagt, um ja keinen von ihnen zu übersehen!
Dabei ist die Landschaft, die Dörfer und Städte vor allem im Süden der Baja California viel zu interessant, als dass man im Affentempo durchrasen möchte. Vielleicht sind die Topes auch der Grund, warum die Fernfahrer in vielen kleinen, farbenfrohen Kapellen am Rande der MEX-1, der - für mexikanische Verhältnisse - viel befahrenen Nord-Südtrasse einen Stopp einlegen, den Schutz der Jungfrau von Guadeloupe erbitten und ihr eine Kerze stiften. Ein wenig Schutz von höherer Stelle kann schließlich nicht schaden!
Die zweite Prüfung für den Mexiko-Reisenden auf zwei, vier oder mehr Rädern besteht aus Stopp-Schildern. Ihre schiere Anzahl ist atemberaubend, ihre Positionierung grenzt an Willkür. Egal, ob sich da zwei gleichberechtige Straßen kreuzen, oder ein schmaler Feldweg auf die sechsspurige Schnellstraße mündet! Jeder muss anhalten! Dabei sind die achteckigen Schilder oftmals kaum auszumachen, klein, schmutzig oder hinter Büschen versteckt! Die mexikanische Policia kennt natürlich ihre Pappenheimer und kontrolliert genau dort, wo die Schilder am wenigsten zu erwarten sind! Dürfen Einheimische so ein Stopp-Schild meist ungestraft überfahren, gilt das für Touristen noch lange nicht! Also Augen auf - und eben nicht einfach mit dem allgemeinen Verkehrsstrom mitschwimmen!
Die dritte Geißel - aller guten Dinge sind bekanntlich drei -, sind die Militärkontrollen, zumindest hier auf der Baja California. Auf den Eintausendachthundert Kilometern von der US-Grenze nach La Paz (im Süden) muss man fünf Kontrollposten des Militärs passieren. Die meisten auf völlig offener Strecke, mitten im Nirgendwo. Man braucht immer ein wenig Geduld, aber die Abfertigung ist korrekt und bei Nicht-Amerikanern nur recht oberflächlich. Lediglich einer der Soldaten - auf der MEX-5 im Osten der Halbinsel bin ich seit Wochen das erste Tourifahrzeug - will flüchtig ins Innere schauen und etwas plaudern.
Hinter dem Ortschild von La Paz tut sich eine völlig neue Welt auf. Findet man weiter im Norden eine eher geringe - bis nicht vorhandene - touristische Infrastruktur, kann man sich hier vor Hotels, Marinas, Restaurants, Andenkenläden und Touranbietern kaum retten. Obwohl La Paz im Führer als die mexikanischste Stadt auf der Baja angepriesen wird, höre ich allenthalben amerikanische, kanadische, französische und deutsche Laute. Hotels, und Restaurants, Marinas und RV-Parks sind vorwiegend auf Langzeiturlauber aus dem kalten Norden eingestellt.
Ja, La Paz hat dem Reisenden schon einiges zu bieten: vor allem Wärme. Jetzt im Januar sinkt das Quecksilber auch nachts kaum unter die zwanzig-Grad-Marke. Das türkisgrüne Wasser lädt zum Plantschen in den seichen Buchten ein, zum Schwimmen, zum Schnorcheln oder zum Tauchen an den nördlichsten Korallenriffen des Pazifiks. Kein Wunder, verläuft doch der Wendekreis des Krebses, die nördliche Grenze der Tropen keine zwanzig Kilometer von hier!
An so viel Urlaub, an so viel verlockende Abwechslung, an so viel süßes Nichtstun muss ich mich allerdings erst gewöhnen. Ihr wisst ja, wie wenig mir so etwas im Blut liegt, selbst auf Reisen. Hier aber kann ich nicht anders: Buchten mit endlosen Sandstränden laden zum Bleiben, gemütliche Ortschaften zwischen grünen Palmen laden zum Erkunden und die farbenfrohen Auslagen der mexikanischen Shops laden zum Feilschen und Handeln.
Inzwischen bin ich in Todos Santos gelandet, achtzig Kilometer südwestlich von La Paz. 1723 wurde hier die erste Missionskirche erbaut, wenig später wuchs der Ort an der Westküste zum ersten Erholungsort der Padres, die die langgestreckte Halbinsel von La Paz aus glaubenstechnisch betreuten. Das Innere der alten Missionskirche überrascht mit überaus modernen Design - und der kleine Ort hat sich zum angesagten Künstlertreff gemausert. Ob lustige Keramiktiere, ob bunte Teller und Tassen, ob farbenfrohe Teppiche und Hängematten: alles wird hier aus erster Hand feilgeboten. Dabei dürfen freundliche, leuchtende Farben nirgends fehlen! Der Bummel durch die zwei Dutzend Souvenirläden und Boutiquen ist ein echter Augenschmaus nach dem vielen Braun der Landschaft und dem Grün der Kakteen!
Wo waren überhaupt all die Amerikaner gewesen, die mir nach den Feiertagen entgegenkamen? Weder La Paz noch Todos Santos sind groß genug, um diese Menschenmassen zu beherbergen!
Sie alle waren offenbar in zwei Städten in Süden, die voll und ganz auf Touristen ausgerichtet sind: in Cabo San Lucas und San Josè del Cabo, gemeinsam als Los Cabos bezeichnet. Viel unterscheidet die Zwillingsstädte nicht und man muss gehörig aufpassen, will man im richtigen Cabo landen. In beiden Städten reiht sich ein Hotel ans nächste, jedes mit dem eigenen, penibel gekehrten und streng abgeschirmten Stückchen Sandstrand. In den Städten wetteifern die Marinas um die millionenschweren Yachten und ihre Eigner - die Juweliere nebenan um deren Gattinnen. Beim Stadtbummel wird man alle paar Meter lautstark und mit allerlei Versprechungen in ein Restaurant oder eine Striptease-Bar gebeten - morgens um zehn Uhr! Auf der Straße hört man kaum Spanisch, stattdessen dringen lautstarke Unterhaltungen auf Englisch oder Französisch aus den Restaurants und Open-Air-Bars. Ich vermute, die Atmosphäre auf dem Ballermann ist nicht viel anders!
Will man ein wenig hinter die touristische Kulisse schauen, wird man bestenfalls in San Josè del Cabo fündig. Zumindest gibt's hier so etwas wie eine Altstadt, auch wenn das Centro Historico nur drei Straßen umfasst. Die Missionskirche von San José del Cabo Añuití an der zentralen Plaza Amelia Wilkes schimmert strahlend weiß im Sonnenlicht und ist im Meer der niedrigen Hütten und Häuser der beste Wegweiser. Die Wohltaten, für die meine Fast-Namensschwester verehrt wird, bleiben mangels ausreichender Spanischkenntnisse allerdings im Dunkeln. Auch in San Josè del Cabo sind die Spuren des verheerenden Wirbelsturms deutlich sichtbar. Vor allen nahe der Lagune, der grünen Lunge, die die Stadt im Osten begrenzt, kann man die schweren Schäden nicht übersehen.
In beiden Städten des touristischen Nepps hält mich Nichts! So bin ich für den Tipp dankbar, dass nahe des Örtchens Santiago, direkt auf dem Wendekreis des Krebses ein kleiner Wasserfall inmitten unberührter Natur plätschert. Also auf nach Santiago! Ganz so unberührt ist die Natur allerdings nicht mehr und der Eintritt schlägt mit zwanzig US-Dollar heftig zu Buche, aber eine nette Abwechslung ist der Salto Sol de Mayo allemal!
Die nächste Abwechslung wartet schon fünf Kilometer weiter: die Piste nach Cabo Pulmo. Offenbar so etwas wie ein Geheimtipp, wenn auch ein gern besuchter. Trotz der zum Teil etwas ruppigen Piste ein lohnenswerter Abstecher! Das Meer am Cabo Pulmo und seine vorgelagerten Riffe nämlich sind seit Jahren Naturschutzgebiet und steht unter dem Schutz der UNESCO. Die Fischer, die hier leben haben von sich aus - ohne Hilfe der Regierung - auf Tourismus umgesattelt, als der Fischfang immer weniger Ertrag brachte. Heute bieten sie neben Schnorcheltouren auch tolle Tauchsafaris zu den farbenfrohen Riffs an, die kaum zweihundert Meter vor dem weißen Sandstrand liegen. Es sind die nördlichsten Korallenriffe im Golf von Kalifornien!
Neben der bunten Unterwasserwelt ist die Bucht, in der die strohgedeckten Hütten von Cabo Pulmo liegen ein landschaftlicher Leckerbissen. Das Wasser ist kristallklar und jeder Tag beginnt für mich mit einer ausgiebigen Runde Schwimmen im türkisgrünen, erfrischenden Wasser des Pazifiks!
Gleich nebenan tummelt sich eine Kolonie Pelikane. Ihre Sturzflüge zum Fischefangen lassen mir immer wieder den Atem stocken. Daneben kreisen dutzende, kleinere Kondore majestätisch über den Hügeln, suchen nach Aas und anderem Fressbarem und trocknen sich am Strand ihr Gefieder, nachdem die kräftigen Regenschauer offenbar auch sie nicht verschont hatten.
Vom landschaftlich schönen Cabo Pulmo ist es nur ein Katzensprung nach Los Barriles, der Hochburg der Kitesurfer und Winterflüchtlinge. Auch hier ist alles auf Touristen ausgelegt, allerdings nicht gar so krass wie an den Cobos. An der einzigen Straße durch das langgezogene Städtchen findet man leckere Seafood-Restaurants, einladende Cafés und jede Menge Mini-Supermarkets für die vielen Selbstversorger am Strand. Ein nettes Fleckchen Erde, auch wenn man schon nach einem kurzen Spaziergang die ganze Stadt kennt.
In den nächsten Tagen werde ich also gemütlich zurück nach La Paz rollen, um meine Runde zu den Kaps des Südens zu vervollständigen. Vermutlich viel zu bald (am 12. Februar) wird uns die Fähre aufs mexikanische Festland bringen, wo schon das nächste Abenteuer wartet: der mexikanische Carneval. Just in Mazatlán, dem Ankunftsort der Fähre soll er an fröhlichsten, am lautesten und am buntesten gefeiert werden. Da wird die Kamera wieder viel zu tun bekommen!
Auf dem mexikanischen Festland - so hoffe ich - werde ich schließlich auch ins richtige Mexiko eintauchen können. In dem Spanisch gesprochen wird und das sich nicht nur als Ferienregion der USA versteht. Ich bin schon sehr gespannt - und büffle jeden Tag zwei Lektionen der Sprache, die mir irgendwie gar nicht in den Kopf mag. Lassen wir uns überraschen!