Skagen (Dänemark) (GPS: 57°45,025'N; 010°36,274'E)
Nördlicher geht's nicht. Zumindest hier in Dänemark nicht.
Schaue ich aus dem rechten Fenster, liegt kilometerlanger Sandstrand mit ein paar kleinen Steinen vor mir, an dem sich die kleinen Wellen dunkelblauen Wassers kräuseln. Schaue ich aus dem linken Fenster liegt ein nicht weniger langer Sandstrand mit ein paar größeren Steinen vor mir, an dem sich die winziges Wellen dunkelgrünen Wassers kräuseln.
Grenen heißt dieser nördliche Zipfel, der Bommel an der dänischen 'Zipfelmütze'. Heute am Samstag allerdings sehe ich weder viel vom Sandstrand noch viel von Kattegat und Skagerak: der Strand wimmelt vor Menschen. Der 'Sandormen', ein traktorgezogener Waggon spuckt minütlich wahre Heerscharen von Menschen aus, die - ebenso wie ich gestern Abend - mit einem Fuß in der Nordsee und mit dem anderen Fuß in der Ostsee stehen wollen!
Nur selten dringen deutsche Laute an mein Ohr; die meisten Besucher sind Dänen (hier sind gerade Schulferien und offensichtlich ist das ganze Land auf Achse) oder aber Norweger, die wohl auch mal Urlaub im Süden machen wollen.
Auf dem Rockertreff, drüben auf der riesigen Wiese südlich von Skagen, dem Træf på Toppen ist das nicht viel anders. Dem größten Harley Davidson Treffen Skandinaviens, wie ich mir sagen ließ. Übrigens alles nette Leute, die Rocker in Ihren schwarzen Lederjacken! Die meisten weit über 50. Wer könnte sich sonst schon 'ne chromblitzende Harley Gold Wing leisten?
Noch zwei Tage lang kann ich mir die angenehm warme Sonne auf den Pelz brennen lassen (was ich üblicherweise höchstens mit einem guten Buch in der Hand tue), dann soll mich die nächste Fähre endlich nach Island bringen, dem ersten ganz großen Ziel der Etappe durch Europas Norden.
Tja, Fähren scheinen langsam unsere zweite Heimat zu werden: drei habe ich inzwischen schon wieder hinter mir. Hier in Skandinavien kommt man ohne sie aber auch nicht recht viel weiter - oder muss riesige Umwege fahren.
Natur zum Genießen: der finnische Süden [FIN] Natur zum Genießen: der finnische Süden
Noch nicht einmal zwei Wochen ist es her, da stand ich drüben, dicht an der russischen Grenze und paddelte zwei wundervolle Tage lang durch die finnische Wildnis. Wildnis ist vielleicht übertrieben, denn alle paar Kilometer hatte sich ein Einheimischer ein Mökki, ein Wochenendhaus direkt ans Wasser gebaut. Trotzdem eine nette Tour, auch wenn ich mit meinem wackeligen Boot den Stromschnellen nicht zu nahe kommen darf und der Wind auf dem offenen Wasser gehörig Armarbeit erfordert. Hinterher sind die Beine ganz steif und was hilft da besser als etwas Wandern in der (fast) unberührten Natur?
Der Wind bringt auch ein paar Regenschauer mit sich, nichts Nennenswertes, aber am nächsten Tag ist der Himmel diesig und will partout nicht aufreißen. Nach einer ganzen Woche am gleichen Platz heißt es also wieder: Abwechslung suchen ...
Well, die Natur ist nach wie vor die gleiche, nur diesmal von der Straße aus betrachtet: kein merklicher Unterschied, außer dass ich nicht so viel paddeln sondern nur das Gaspedal treten muss. Links der Straße sattes Grün, rechts der Straße sattes Grün. Dazwischen eine gut geteerte Straße, manchmal auch nur eine Schotterstraße ... Nach wie vor folge ich in erster Linie der grünen Kennzeichnung auf der Karte 'Landschaftlich schöne Strecke'. Inzwischen vorrangig nach Westen, Vaasa an der schmalsten Stelle des Botnischen Meerbusens ist mein Ziel, sprich meine nächste Fähre.
Mehr als einmal frage ich mich, ob ich von dem Grün links und rechts der Straße nicht etwas auf Vorrat einpacken kann. Nächste Woche in Island, spätestens in ein paar Monaten in der Sahara werde ich mit Sicherheit gewaltige Sehnsucht nach dem frischen Grün der Bäume und Sträucher haben. Auch wenn's im Moment fast ein wenig zu viel ist...
Die freundliche Dame am Schalter der Fähragentur in
Vaasa
vertut sich bei der Abfahrtszeit um einen Tag; Zeit genug also, in der Stadt herumzubummeln
und mich auf die Suche nach 'typischen Finnen' zu machen.
Die Stadt selber ist recht überschaubar: eine alte Hafenstadt, die lange Zeit Zankapfel zwischen Schweden und Finnen war und heute eine Brücke zwischen beiden Staaten schlagen möchte. Die Hälfte der Einwohner ist schwedischen Ursprungs, daher verwundert es nicht, dass hier Schwedisch zweite Amtssprache ist und alle Straßen mit zwei Namen aufwarten: einem völlig unleserlichen finnischen und einem halbwegs leserlichen schwedischen ....
In einem wahren Zickzackkurs geht's tags darauf durch das einzige UNESCO-Weltnaturerbe, das sich Finnland mit Schweden teilt. Auf Finnisch heißt es Naturskyddsomrade Luonnonssuojelualue. Gemeint ist die Schärenlandschaft vor Vaasa. Das schwedische Pendent dazu, die sogenannte 'Hohe Küste' liegt drei Fährstunden entfernt. Auch hier war die letzte Eiszeit vor ca. zehntausend Jahren der Schöpfer und Schweden ist ganz stolz darauf, dass sich seine Küste noch heute jedes Jahr um bis zu acht Millimeter hebt. Nur weil jetzt ein paar Tausend Meter Eis fehlen ... Angeblich soll der schwedische Teil während der Eiszeit achthundert Meter unter dem heutigen Meeresspiegel gelegen haben. Ein ganz schöner Aufstieg ...
Einen Tick anders: Südschweden [SWE] Einen Tick anders: Südschweden
Ein ganz schöner Abstieg ist allerdings der Verkehr auf schwedischer Seite: Kaum bin ich in Holmsund von der Fähre gerollt und habe mich auf die E4 nach Süden eingefädelt, komme ich aus dem Staunen nicht heraus. Traf ich auf der finnischen Seite vielleicht ein Fahrzeug in zehn Minuten, so reiht sich hier auf der dreispurigen Schnellstraße ein Auto ans andere. Davon die Hälfte riesige Wohnmobile und ein Drittel schwere Motorräder. Alles strebt nach Norden. Später höre ich, dass in Stockholm gerade die Ferien begonnen haben und alle Städter in den Norden fliehen. Was ich allerdings erst verstehen kann, als ich später in den Süden komme....
Noch aber rolle ich durch Mittelschweden, was sich von Mittelfinnland auf den ersten Blick durch eine noch ausgeprägtere Holzindustrie unterscheidet. Allenthalben begegnet man auf den Seitenstraßen riesigen Holztransportern und kaum eine Stadt kommt ohne eigene Holzfabrik aus.
Daneben erinnert mich Schweden sehr an die Schweiz: die Straßen sind gut, die Weiden grün und saftig, jeden Morgen wird die Milch glücklicher Kühe eingesammelt und die Häuser könnten genauso gut im Wallis oder im Graubünden stehen! Nur die ganz hohen Berge sucht man hier vergebens! Je weiter ich gen Süden vorankomme, desto mehr bleibt die Wildnis zurück. Auch wenn sie nirgends wirklich 'wild' ist. Irgendwie schaut alles aus wie 'zu Hause'. Und das ist kein gutes Zeichen ... Davon muss ich nicht noch mehr haben!
Also beiße ich in den sauren, weil teuren Apfel und gönne mir die kurze und schnelle Fähre
von
Göteborg nach
Frederikshavn,
also auf kürzestem Weg durch das
Kattegat
von Schweden nach Dänemark.
Die Etappe von Ruunaa an die Nordspitze Dänemarks ging viel schneller über die Bühne als erwartet. Trotz zweier eingelegter Pausetage bin ich zu früh dran und muss nun zwei volle Tage auf die Fähre nach Island warten. Allerdings gab's unterwegs auch wenig, was mich zum Bleiben animiert hätte. Nicht, dass die Etappe langweilig gewesen wäre, aber irgendwo fehlte ein wirkliches Highlight.
Die werde ich sicher drüben in Island zu Hauf finden. Die Reiseführer und Karten sind recht vielversprechend!