Praja do Melides (Portugal) (GPS: 38°07,446'N; 008°47,572'W)
Die Wogen des Atlantiks donnern gegen die flache Küste. Mit aller Kraft, die sie auf dem Weg von Brasilien hierher gesammelt haben. Das Schwimmen wird zur Achterbahnfahrt. Oft geht nicht einmal das. Es kostet Kraft, von den Brechern nicht auf den hellen Sandstrand geschleudert zu werden. Gischt färbt das dunkelblaue Wasser türkis. Weiß. Die Sonne strahlt vom tiefblauen Himmel. Treibt das Quecksilber auf 28°C. Der Strand ist menschenleer, nur abends halten ein paar einsame Angler ihre Ruten in die Brandung.
Das Leben ist hart!
Nach dem nicht enden wollenden Regen in Frankreich und Spanien genieße ich jede Minute Sonnenschein. Sauge das feurige Abendrot in mich auf. Beobachte die freundlichen Menschen, die jeden Passanten zu grüßen scheinen. Sicher sind auch sie froh, dass die Sonne nun endlich wieder lacht - und damit auch ihre Herzen. Anfangs sah es auch hier in Portugal gar nicht nach Wetterbesserung aus, doch in Lisboa hat sich die Sonne dann doch überreden lassen!
Pilgern im Regen (II): Camino de Santiago [ESP] Pilgern im Regen (II): Camino de Santiago
Mit Grauen denke ich zurück an Nordspanien, an Santiago de Compostela. Vielleicht hätte ich auf der Fahrt doch öfters mal die eine oder andere Pilgerkapelle am Camino de Santiago aufsuchen und meine Seele reinigen sollen? Hätte Petrus dann früher ein Einsehen gehabt?
Aber selbst der Reiseführer warnt vor dem tückischen Wetter an der exponierten Nordwestecke der iberischen Halbinsel: Nebel und Nieselregen! Vor allem jetzt im Herbst! Was bin ich froh, dass nicht meine schwarze Seele daran schuld ist! Die Pilger allerdings beneide ich nicht: sitze ich im trockenen Führerhaus und lass den Scheibenwischer laufen, versuchen sie sich mit Regenjacken, Ponchos, wasserfesten Hosen und Plastiksäcken über den Stiefeln halbwegs trocken zu halten. Andere laufen dagegen halbnackt, nur mit Jesuslatschen an den Füßen und dem Rucksack auf dem Rücken: was ich nicht anhabe, kann nicht nass werden!
Abgekämpft schauen sie alle drein: die letzten Tage des 'Camino' geht's nochmal gehörig rauf und runter. Wenn sie dann vom Monte do Goyo das erste Mal die Türme der Kathedrale von Santiago sehen, sind's immer noch mehr als zwanzig Kilometer - unmittelbar entlang der Autobahn, am Flughafen vorbei und quer durch die belebte Stadt! Ich bin mir ziemlich sicher, dass damit die Sünden nicht nur eines Lebens aufgewogen werden!
Die Kathedrale von Santiago betreten die meisten Wanderer durch die Pilgerpforte in einem Seitenschiff. Dann folgt ein - sicher erinnerungswürdiger - Gottesdient mit viel, mit sehr viel Weihrauch - allein der Räucherpott wiegt über siebzig Kilogramm! Danach ist noch die Statue des Heiligen Jacobus zu umarmen, wofür man gehörig Schlange stehen muss. Erst dann ist der Pilgerweg zur Gänze geschafft, man darf sich freudestrahlend in die Arme fallen und seine Urkunde abholen.
Mir bleibt diese Erlösung erspart! Dafür darf ich mir Gedanken machen, woher die vielen Hundert Kilo Gold des Altars und der zahllosen Statuen und Verzierungen wohl gekommen sind. Im Mittelalter, als Santiago noch viel mehr en Vogue war als heutzutage, gab es ja den Sündenerlass gegen Cash und ein paar andere für die katholische Kirche nützliche Erfindungen ... Daher also! Wie ich gerade im Spiegel (42/2013) lese, scheint sich bis heute bei manchen an dieser 'Einnahmen- und Ausgabenpolitik' wenig geändert zu haben!
Genug der persönlichen Anmerkungen - Gut, dass wir im Jahr 2013 leben, sonst wäre mir der Scheiterhaufen wohl mehr als gewiss!
Santiago de la Compostela selbst ist zum einen die recht touristische Altstadt mit Kirchen, Pilgern und religiösen Universitäten, zum anderen die moderne Hauptstadt der autonomen Region Galizien mit einem sehenswerten, modernen Regionalmuseum und den obligaten Einkaufszentren und Verwaltungsgebäuden.
Nach Beendigung der 'Pilgeretappe' geht's nun gen Süden und die Hoffnung auf besseres Wetter im Süden treibt mich an. Denkste! Die Grenzstadt Valença beschert mir zwar einen netten ersten Nachtplatz in Portugal. Direkt am Grenzfluss, dem Rio Sil. Doch nicht ein winziges Wolkenloch! Der ganze Norden Portugals, eine landschaftlich äußerst reizvolle Gegend mit Bergen, Wäldern, Weinplantagen, reißenden Flüssen und netten Menschen versinkt im Grau des Dauerregens. Also weiter! Weiter gen Süden!
Endlich Erlösung: Sonne in Lissabon [PRT] Endlich Erlösung: Sonne in Lissabon
Nach wie vor zeigt das (analoge) Barometer auf Tief, tiefer geht's kaum. Bevor mich die Schwermut endgültig befällt, werde ich in Lissabon einfach so lange Station machen, bis sich das Wetter endlich eines Besseren besinnt!!!
Zwei Nächte und zwei Tage stehe ich hoch oben in der grünen Lunge von Lisboa, auf dem Campingplatz von Monsanto. Da stiehlt sich tatsächlich der erste Sonnenstrahl durchs Dauergrau. Allenthalben sind erste leise Jubelschreie zu vernehmen. Am Tag drauf erinnern nur noch ein paar harmlose Wölkchen an die triste Vergangenheit!
Höchste Zeit, das Radl zu satteln und die Stadt zu erkunden!
Portugal war in keinen der letzten großen Kriege verwickelt. Die letzten 'bösen Buben', die hier gewütet haben, waren die Mauren. Doch die haben nicht nur zerstört, sondern viele sehenswerte Bauwerke hinterlassen, die auch nach der Reconquista, der Rückeroberung der iberischen Halbinsel durch die Christen erhalten blieben.
So präsentiert sich das Zentrum von Lisboa wie vor hundert Jahren als durchweg historischer Baubestand ohne große Veränderungen. An der Promenade wurde und wird ein bisschen aufgehübscht, aber der Stadtkern mit seinen schmalen, malerischen und teils sehr steilen Gässchen blieb erhalten.
Rom ist bekanntlich auf sieben Hügeln erbaut, Lisboa auf gefühlten zwanzig Bergen.
Das macht die Erkundung per 'Pedales' zu einer schweißtreibenden Angelegenheit!
Dazu das allgegenwärtige Kopfsteinpflaster!
Viele Radfahrer sieht man jedenfalls nicht! Alternativen gäbe es genug:
nicht weniger als vier Stadtrundfahrten mit modernem Bus oder altertümlicher Trambahn,
Dutzende öffentlicher Linienbusse, vier Fähren, sieben Eisenbahn- und moderne Metro-Linien
bringen den Fahrgast auch in die entlegensten Stadtteile.
Aber wo bleibt da das Training und die Gesundheit?
Zu entdecken gibt's jedenfalls genug: ob das prunkvolle Kirchen und Basiliken sind, ausgedehnte Parks, in denen auch im heißesten Sommer kühler Schatten zu finden ist, das Castello de São Jorge, direkt oberhalb der Altstadt mit seinen Zinnen und Geschützen (die eigenartiger Weise alle auf die Stadt ausgerichtet sind), die breite Prachtstraße Avenida da Liberdad mit zahlreichen kleinen Läden, Cafés und Brunnen. Oder der Aquädukt, der seit 1748 das lebenswichtige Nass aus dem Umland in die Hauptstadt liefert. Oder die Cafés, Boutiquen, Restaurants der Baixa, dem früheren Stadtkern mit seinen schmalen Sträßchen, in denen das Leben Tag und Nacht pulsiert. Oder, oder, oder ... Auch wenn Ihr zwei Wochen in Lisboa bleiben könnt, oder drei: es wird Euch sicher nicht langweilig werden!
Vergesst dabei den Osten der Stadt nicht: das frühere EXPO-Gelände - mit seinen Pavillons, seiner Seepromenade und seiner Gondelbahn an sich schon sehenswert - birgt noch einen besonderen Schatz: das Ozeanarium, ein richtig großes Aquarium, in den vor allem die ganz Großen faszinieren: Haie, Rochen, Barakudas, und viele mehr. Daneben gibt's mehr als zwei Dutzend kleinere, ebenso liebevoll angelegte Aquarien mit Meeresbewohnern aus allen Regionen der Erde: vom Pinguin der Antarktis bis zum tropischen Trompetenfisch, von der einfachen Sardine bis zum lustigen Seepferdchen, vom eher faulen Seeigel bis zur regen Riesenkrake. Daneben viel Information, viel Anschauungsmaterial zum dringend notwendigen Schutz der Ozeane.
"Wir sind kein Stadtteil von Lisboa!" Darauf legt Belem im Westen der Stadt viel Wert. Markante Trennlinie ist die majestätische Brücke des 25. April, die sich - zweihundert Meter über dem Wasser - majestätisch gen Süden schwingt und das wohl bekannteste Wahrzeichen Lissabons darstellt. Der Torre de Belem und das richtungweisende Padrao dos Descobrimentos, das "Denkmal der Entdecker" sind die unübersehbaren Wegweiser am Ufer von Belem.
Und wer dürfte sich weniger mit einem solchen Denkmal schmücken als die Portugiesen, die über Jahrhunderte die Entdecker der Welt waren und im Rennen um die besten und lukrativsten Handelsniederlassungen weltweit die Nase weit vor den Spaniern und den Engländern hatten. Vasco da Gama, Fernando Magellan, Christoph Columbus: sie alle waren Portugiesen oder im Auftrag der portugiesischen Krone unterwegs!
Malerisches Maurenerbe: das Umland [PRT] Malerisches Maurenerbe: das Umland
Doch Portugal ist nicht nur seine Hauptstadt!
Knappe fünfzig Kilometer westlich von Lisboa wurde die Region um Sintra schon vor Jahren ins UNESCO Kulturerbe aufgenommen. Nicht ganz zu Unrecht, gibt's doch in der sogenannten 'Kulturlandschaft' ein gutes Dutzend Burgen, Schlösser, Parks und Denkmäler zu bestaunen. Das Castelo dos Mouros, die Burg der Mauren ist eines der imposantesten. Von den 'ungläubigen' Mauren im elften Jahrhundert angelegt, wurde es später (1147) von den Christen gerne weiterbenutzt, ausgebaut und erweitert. Einerseits war es strategischer Beobachterposten Richtung Atlantik, zum anderen auch Sitz aller wichtigen Sultane bzw. Könige bis ins neunzehnte Jahrhundert hinein.
Im Mittelalter als kleine Kapelle angelegt, wurde der Palacio da Pena (Palast von Pena) erst im 19.Jahrhundert zu dem Märchenschloss, wie es heute zu bestaunen ist. König Ludwig II von Bayern - der Erbauer von Schloss Neuschwanstein - hatte seine Hände angeblich nicht im Spiel. Doch die Ähnlichkeiten sind frappant! Lag's an Baron von Eschwege aus dem Hause Sachsen - Coburg - Gotha, dem Miterbauer des Schlosses oder an König Fernando II, der wie ein Zwillingsbruder unseres Ludwig aussieht?
Neben diesen zwei Highlights gibt's in der 'Kulturlandschaft' noch Dutzende weiterer Sehenswürdigkeiten. Obendrein leckeres Essen! Und schmale Straßen, wie ich auf meinen weiteren Streifzügen an Bord der Lady Grey feststellen muss. Die Gegend jedenfalls ist interessant und abwechslungsreich! Besonders malerisch am Morgen, wenn der Nebel vom Meer heraufschwappt ...
Das Cabo da Roca, der westlichste Zipfel des europäischen Kontinents ist von Sintra nur einen Katzensprung entfernt. Die Felsnase liegt zwar um 16 Grad weiter östlich als der westlichste Punkt Europas (Látrabjarg kennen wir ja noch aus Island), trotzdem wandert bei Sonnenuntergang der Blick über den großen Teich zum nächsten, ganz großen Ziel meiner Tour. Nach Amerika. Genauer nach Brasilien, der größten und einflussreichsten Kolonie der portugiesischen Seefahrer.
Zum Greifen nah: Brasilien [PRT] Zum Greifen nah: Brasilien
Auch dort spricht man Portugiesisch und auch dort (in Rio de Janeiro) hat man eine Christus-Statue. Hier aber haben die Lissabonner bei den Brasilianern abgeschaut, nicht andersrum: Kardinal Manuel G. Cerejeira, damals Kirchenchef von Lisboa, war 1934 zu Gast an der Copa Cabana und sah die dortige Statue. "So eine will ich auch!" soll er gerufen haben und ließ - wieder daheim - seine Schäfchen zur Kasse bitten. Trotzdem hat's noch bis 1959 gedauert, bis die Statue fertig war: ein wirklich markanter Blickfang in Lisboa! Gedacht ist sie auch als Danksagung dafür, dass Portugal nicht in den zweiten Weltkrieg verwickelt wurde.
Für mich ist die Geschichte natürlich die Aufforderung, nun erst recht das Original zu sehen! Es wird noch etwas dauern, aber die Weichen sind ja schon gestellt!
Kann denn nicht jemand ein bisschen an der Uhr drehen?
Ja, die Uhr bewegt sich im Moment furchtbar langsam. Noch über fünf Monate bis zur Verschiffung nach Kanada! Noch über sechs Wochen bis Marokko! Noch über zwei Wochen bis zum Spanischkurs, den ich mir in Vorbereitung auf Mittel- und Südamerika in Cádiz gönnen werde!
Und ich kann nur hier an Strand rumsitzen und den Zeigern zuschauen, wie sich sich vorwärtsquälen. Klar, ich weiß, mich zu beschäftigen (ihr seht es ja unter anderem an der neuen Navigation und mehreren Updates), aber so richtig spannend ist das nicht. Aber es gehört nun einmal zum Reisen dazu! Ein erfahrener Weltenbummler hat mal geschrieben, dass Reisen zu mindestens achtzig Prozent aus Warten besteht: Warten auf die Abreise, Warten am Check-In, Warten auf die Landung, Warten auf den Bus, Warten, Warten, Warten .... Gut, dass wir das alle so gerne tun!
Well, jedenfalls habe ich mir dafür nicht unbedingt den schlechtesten Platz ausgesucht!
Die paar Rutengänger, die abends den Parkplatz mit mir teilen, sind bald vergessen, und tagsüber
habe ich absolute Ruhe. Mal Baden gehen, mal ein Bericht'le schreiben, mal ein paar Fotos katalogisieren.
Das Leben könnte wirklich schlimmer sein!
Portugal ist überhaupt ein sehr angenehmes Reiseland, zumal zu dieser Jahreszeit! Von 'ein paar vereinzelten' Regentagen abgesehen (s.o.) ist das Wetter recht zuverlässig. Tagsüber ist es warm, nicht so heiß wie im Hochsommer, nachts erfrischend kühl. Das Wasser hat Badetemperatur und die Strände, Städte und Sehenswürdigkeiten hat man fast für sich allein. Die Portugiesen sind ein freundliches Völkchen: auch Wildfremde grüßen mich auf der Straße. Im Supermarkt. An der Tankstelle. Für ein Schwätzchen ist immer Zeit, und viele sprechen zumindest ein paar Brocken Englisch. Wildes Campen ist zwar im Prinzip verboten, wird jedoch fast überall toleriert. Trotzdem sollte man die paar goldenen Regeln eines 'gern gesehenen Gastes' beherzigen, damit das auch so bleibt! Was die Freude ein klein wenig trübt, sind die Abfälle, die allenthalben rumliegen und - weil meist Plastik - natürlich nicht verrotten. "Könnte man hier nicht einen Tag Ramma-Damma pro Jahr einführen, an dem alle in ihrem Umfeld den Schmutz wegschaffen?" schießt es mir mehr als einmal durch den Kopf. "Und nicht einfach jede leere Plastikflasche in der Landschaft entsorgen?" Ja, diesbezüglich gibt's hier noch einiges zu tun!
Bin ja höllisch gespannt, wie das drüben in Marokko wird.
Die bekannte Statistik zu Europa gibt's wie gewohnt rechts ...