Krailling (KIM) (GPS: 48°05.617'N; 011°05.617'E)
Vor Monaten schon sind die Würfel gefallen. Und jeder Tag in diesem Land bestätigt mich in meiner Entscheidung: "Ich muss weg von hier! Schnell! Am besten auf Nimmerwiedersehen!". Nein, Deutschland ist nichts mehr für mich!
Gänzlich neu ist die Erkenntnis nicht. Schon auf der Panamericana-Tour (ab 2013) hatte ich den Vorsatz im Hinterkopf, dort irgendwo eine neue Heimat zu finden. Was bekanntermaßen nicht recht geklappt hat. Anschließend hatte ich lange Zeit gehofft, doch irgendwo in Bayern Wurzeln schlagen zu können. Sesshaft werden zu können. Einen gemütlichen Lebensabend verbringen zu können (was immer man darunter verstehen mag ).
An ein ›gemütliches Ausklingen‹ in diesem Land ist allerdings nicht zu denken. Was an den globalen Unsicherheiten wie Ukraine-Krieg, Klimawandel und der zunehmenden Polarisierung der Gesellschaft ebenso liegen mag, wie an den hausgemachten Krisen in Berlin. An die Trantütigkeit in Sachen Digitalisierung denke ich dabei ebenso wie an das unausgegorene GEG [1], den sogenannten 'Abbau der Bürokratie' (die jeden Tag schlimmer wird) und eine zunehmend konservative Lebenseinstellung der Einheimischen. "Des hamma immer scho so g'macht!" hallt inzwischen öfters durch Diskussionsrunden als ein "Pack ma's an!" Risiken sehen statt Chancen: eigentlich nichts Neues in Good Old Germany! Gleichzeitig schielen Große wie Kleine begehrlich auf Geld von Vater Staat (und der ist sich nicht zu schade, es mit generöser Hand zu verteilen) anstatt sich zu fragen, was jeder aus eigener Kraft tun kann. Aber sorry, ich bin abgeschweift …
Sesshaftigkeit?
Wäre das nicht ein gemütliches Zuhause? |
Ein nicht ganz unwichtiger Punkt gibt am Ende den Ausschlag: Sesshaftigkeit - ein Wort, mit dem ich zeitlebens meine Schwierigkeiten hatte. Im letzten Kapitel hatte ich dazu ja schon ein paar Worte verloren. Als ich versuche, zu ergründen, unter welchen Umständen ich trotz aller 'Widrigkeiten' in Bayern resp. Deutschland Wurzeln schlagen könnte, wird schnell klar: die einzig erfolgversprechende Alternative zum Reisen wäre ein Tinyhouse - so grün, so nachhaltig, so autark wie irgend möglich!
Wieviel braucht man eigentlich zum Leben? |
Doch Deutschland wäre nicht Deutschland, wäre das - mit vertretbarem Aufwand und in vertretbarer Zeit - realisierbar. Baurecht und Ortsgestaltungssatzungen stellen dem minimalistisch denkenden Bauherrn kaum überwindliche Hürden in den Weg. Ganz abgesehen davon, dass (bebaubare) Grundstücke in Deutschland unbezahlbar sind und solche für Tinyhouses schlichtweg nicht existieren [2]. Auf den Punkt gebracht, lautet die Fragestellung also: "Wohnen in einem anonymen Betonsilo weit weg vom ersehnten Grün … oder eben Reisen mit herrlichen Stellplätzen - oft inmitten der Natur!" Schwer fällt die Entscheidung am Ende nicht.
Nachhaltigkeit?
"Und wo bleibt dein Vorsatz, CO2 einzusparen und die Welt zu retten?" hakt mein besseres Ich im gleichen Atemzug ein. "Tja, diesen Spagat wirst du wohl aushalten müssen!" antwortet die andere Gehirnhälfte. "Denn: Was ist unterm Strich nachhaltiger? Häusle-Bauen mit allen Erstellungs- und Nachfolgelasten, mit Flächenversiegelung und Landschaftsverbrauch … oder Reisen mit (stark) reduzierter Kilometerleistung?" Daran nämlich hat sich wenig geändert: auch wenn ich wieder 'richtig' unterwegs sein werde, halte ich an meinen selbstgesetzten Einsparzielen fest; vor allem, weil sie inzwischen einen Tick realistischer geworden sind als direkt nach dem Aha-Erlebnis Malediven .
Weniger CO2 als der statistische Bundesbürger werde ich auf jeden Fall in die Luft pusten! Die Rettung der Welt allerdings wird noch etwas warten müssen! Ein Gut-Mensch sein zu wollen ist nämlich das eine, all seine Träume, ja sein Leben aufzugeben etwas völlig anderes! [3] Folglich werde ich in den verbleibenden Jahren weiterhin mein Leben führen … unter maximaler Rücksichtnahme auf die Umwelt … aber eben auch unter Rücksichtnahme auf die persönlichen ›Erfordernisse‹!
Wohin denn nun?
Die Entscheidung war also gefallen - genau genommen gleich nach dem Ausflug in die Schweiz. Und so wirft die nächste Tour - eigentlich nur die nächste Etappe meiner ›Ultimate Journey‹ - seit Monaten ihre Schatten voraus … Wohin es allerdings gehen soll, steht lange Zeit in den Sternen:
Der Ausblick in den Blyde River Canyon raubt dem Besucher den Atem. |
Südafrika, genauer das 'südliche Afrika' scheidet schnell aus, da ein längerer Aufenthalt mit der Lady Grey dort praktisch nicht möglich ist (Carnet de Passage!). Bei aller Faszination taugen Namibia, Südafrika und die angrenzenden Länder eher für ein ein- bis zweijähriges Intermezzo!
Australien schafft es gar nicht erst auf die Liste der dream-destinations: die Quarantänebestimmungen sind einfach zu rigoros, um die Lady Grey einführen zu können. Und bleiben dürfte ich sowieso nur sechs Monate! Obendrein wird Down Under in den letzten Jahren von den Auswirkungen des Klimawandels härter geschüttelt als viele andere Staaten! Auch das Outback kenne ich inzwischen zur Genüge! Einzig Neuseeland ist nach wie vor eine Reise wert. Aber eben nur eine Reise! Obwohl ich mir durchaus vorstellen könnte, dort länger zu bleiben!
Nördliche Auffahrt zur Golden Gate Bridge vor den Toren von San Francisco. |
Nordamerika scheidet ebenfalls aus, nachdem die dortigen KFZ-Versicherungen (3rd-party-insurance) keine ausländischen WoMos mehr versichern wollen. Solche älter als zwanzig Jahre - wie die Lady Grey - schon gar nicht! Dazu besteht ein nicht eben geringes Risiko, dass in den USA erneut die Republikaner und damit wohl ein selbstherrlicher Psychopath an die Macht kommen werden. Dieses Risiko ist mir einfach zu groß - auch wenn's den Touristen vermutlich wenig trifft. Doch: den Rest der Tage in diesem (Alb-)Traumland verbringen? Nein Danke! Dann schon eher Mexiko, doch dort toben mittlerweile heftige Bandenkriege, die ich einfach nicht einschätzen kann … und Klimawandel und Migrationsdruck lassen auch dort grüßen! Und Canada, davon hast du doch so geschwärmt? Nun, dort ist es schlicht und ergreifend zu kalt und Snowbirding ist in den ersten Jahren der Einbürgerung nicht erlaubt!
Die Pisten um den Salar de Huasco sind gut in Schuss. |
Warum also nicht gleich nach Südamerika? Dort kann ich - aus heutiger Sicht - unbegrenzt bleiben. Länderhopping ist halt angesagt, doch es gibt genug Länder, zwischen denen man hin- und herhoppen kann: Chile, Argentinien, Uruguay, Peru, Brasilien, Bolivien, Paraguay … Und weiße Flecken auf der Landkarte gibt's auch noch zuhauf. Zudem finden sich auf engem Raum alle erdenklichen Klimazonen, sodass sich bei einer weiteren Klimaveränderung sicher ein Platz zum 'Ausweichen' finden lässt. In erster Linie fasziniert mich dort natürlich die Atacama-Wüste … ganz wie vor fünfundvierzig Jahren [4] Jahren die Sahara, von der ich ebenfalls nie genug bekommen konnte: die lieben Nachbarn sind erfreulich weit weg … und man kann (weitgehend) so leben, wie man möchte …
Bis zur Verschiffung muss in der Lady Grey noch einiges umgebaut werden. |
Also fällt die Wahl auf Südamerika. Verschiffung nach Montevideo, dann rauf nach Uyuni und zur 'Ruta de Lagos'. Danach sehen wir weiter! Im Gespräch ist auch eine Verschiffung nach Cartagena (Kolumbien). Doch die kostet - bei halber Fahrstrecke - den doppelten Preis. Obendrein ist die Sicherheitslage in Kolumbien, Ecuador und dem Norden Perus seit der letzten Tour nicht eben besser geworden. Im Vergleich ist das Risiko, dass die Lady Grey auf dem Grimaldi-Schiff (nach Montevideo) ausgeräumt wird, durchaus überschaubar.
Die ersten Pläne sind also schnell gezimmert! Zumal die Verschiffung nach Montevideo quasi bekanntes Terrain ist. Ende September 2023 - pünktlich zum Sommer auf der Südhalbkugel - soll's losgehen … Bis dahin aber bleibt noch viel zu tun! Ob dabei die Knüppel, die zwischen meinen Beinen landen ebenso zahlreich sein werden wie die, die ich seit der Rückkehr aus Marokko verspüren durfte, wird sich zeigen. Ich rechne einfach mit dem Schlimmsten - schließlich bin ich noch in Deutschland!
Aber die Tage sind gezählt! Das Licht am Ende des Tunnels wird heller …