Seydisfjördur (Island) (GPS: 65°18,466'N; 014°26,962'W)
Der eisige Wind pfeift mit Stärke fünf bis sechs. Oben im Hochlands waren es mindestens acht oder neun. Seit Tagen schon. Das tief eingeschnittene Tal, die wenigen kleingewachsenen Bäume links und rechts bremsen den Sturm nur wenig. Böen werfen die Lady Grey hin und her. An Schlaf ist heute Nacht nicht zu denken. Es scheint, als ob der Sturm auch die letzten, hartnäckigen Reisenden noch von der Insel wegfegen will. Damit endlich Ruhe ist ... der Winter kommen kann ... und die Isländer die Insel wieder für sich haben!
Tatsächlich ist es hier an der Ostküste Islands schon recht herbstlich. Es ist Ende August. Sturm wie zu Hause im späten Oktober. Die Tage werden kürzer, die Sonne macht sich rar. Die wenigen kleinen Blüten sind verwelkt, die Beeren überreif und die Pilze schießen wie die sprichwörtlichen aus dem Boden. Gut, dass uns morgen die Fähre wieder nach Dänemark bringt. Dort soll strahlender Sonnenschein das Quecksilber noch bis fünfundzwanzig Grad treiben. An die Überfahrt mag ich dabei gar nicht denken ... bei diesem Sturm wird das sicher eine 'bewegte Angelegenheit'!
Während ich mich von einer Seite auf die andere wälze, wandern die Gedanken zurück und ziehen schon mal eine erste Bilanz.
Es waren vier tolle Wochen hier oben! So viele neue, andersartige, interessante Eindrücke auf überschaubarem Raum hatte ich bislang nirgends gefunden. Ok, das 'Abenteuer der Hochlandquerung' hielt sich in Grenzen. Die Pisten sind gut präpariert. Wegweiser auch an der entferntesten Weggabel. Hinweisschilder und 'Notfallhelfer' an den größten Furten. Trotz - oder gerade wegen - der fehlenden echten Herausforderung kann ich die Freiheit genießen. Die Ungebundenheit. Übernachten wo ich mag. Anhalten, Wandern gehen wo ich mag. Die Seele baumeln lassen. Die atemberaubende Landschaft in mich aufsaugen. Die Steine in der Wüste zählen.
Das Wetter hat - auch wenn gerade der Sturm pfeift - gut mitgespielt. Ich hatte einfach Glück! Riesiges Glück! Anfangs ein wenig Nebel, der sich aber schnell lichtete und danach teils gutes, teils wechselhaftes Wetter. Selten wirklich warm und immer windig. Andere Traveller berichten allerdings vom genauen Gegenteil, doch ich hatte gerade mal zwei wirklich schlechte, verregnete Tage. Die ich in der Lady Grey prima aussitzen konnte! Allerdings beneide ich die vielen, vielen Camper nicht, die nur mit dem Zelt unterwegs waren! Am meisten bewundere ich aber die Radfahrer (es waren viele unterwegs), allen voran das Pärchen aus Katalonien, das die Hochlandquerung (die Sprengisandurroute, s.u.), mit fünfhundert Kilometern Steinpiste mit dem Drahtesel bezwungen haben! Hut ab!
Das Schöne an Island ist, dass es für jeden Geschmack etwas bieten kann. Außer vielleicht für Sonnenanbeter.
Möglichkeiten auf Island [ISL]- Ihr könnt Sport treiben, vom Wandern über Gletscherbegehungen bis zum Rafting, Reiten oder Tauchen (!).
- Ihr könnt Kultur genießen, hauptsächlich natürlich in Reykjavik. Aber auch jedes Nest auf dem Land hat sein eigenes Musik- und Kulturspektakel.
- Ihr könnt Flora und Fauna erkunden, am ehesten die rings um Island herum, sprich im Meer.
- Ihr könnt den tektonischen Platten beim Driften zuschauen (mit etwas Geduld) und auf Tuchfühlung an aktive Vulkane rankommen.
- Ihr könnt aus Allem Euren eigenen Mix gestalten ... oder einfach nur genießen.
- Und alles (na ja, fast alles) ist mit einem zuverlässigen Fahrzeug und etwas Umsicht des Fahrers gut erreichbar.
- Ja, die Lady Grey fühlte sich fast schon etwas unterfordert. Aber es sollte ja auch nur eine Eingewöhnungstour sein!
Stolz der Wikinger: Thingvellir [ISL] Stolz der Wikinger: Thingvellir
Zurück nach Reykjavik! Die Teilnehmer der Gay Pride Parade sind sicher noch nicht ganz ausgeschlafen, da sitze ich schon auf dem Bock und rolle gen Osten. Gerade mal dreißig Kilometer entfernt liegt das Nationalheiligtum der Isländer: Thingvellir. Genau hier treffen sich zum einen die amerikanische und die eurasische Platte und haben einen imposanten Hintergrund mit bizarren Felsformationen geschaffen. Zum anderen wurde genau hier das Parlament erfunden ... die erste demokratische Regierung Islands gewählt. Und das zu einer Zeit, zu der Mitteleuropa im finstersten Mittelalter versinkt, nämlich im Jahr 930 AD.
Knapp sechzig Jahre vorher (871 AD) hatten sich die ersten dauerhaften Siedler - meist Nachfahren der Wikinger aus Norwegen - niedergelassen und es wuchs die Notwendigkeit, das Zusammenleben der neuen, weit verstreut lebenden Insulaner zu regeln. Der Buchdruck war noch nicht erfunden, Lesen und Schreiben konnten allenfalls die paar Mönche, die die Wikinger vorsorglich vertrieben hatten. Also wurde ein kluger Kopf ausgewählt, nach Norwegen geschickt, um das dortige Recht zu studieren und daraus ein neues isländisches Recht zu zimmern. Dieses neue Recht wurde dann Jahr für Jahr von eben diesem klugen Kopf hier in Thingvellir bei der jährlichen Zusammenkunft aller Einwohner mündlich vorgetragen. So wusste jeder, wie er sich zu verhalten hatte ... und welche Strafen drohten, wenn er es nicht tat. Die verhängten Strafen wurden dann praktischerweise auch gleich an Ort und Stelle vollstreckt. Der studierte Herr hatte seinen festen Platz auf dem Lögberg (Gesetzesberg), einem Hügel direkt vor einer Felswand, wo er von allen Anwesenden gesehen und gehört werden konnte.
Während dieser Herr in Norwegen das neue Gesetz erfand, hatte sich sein Bruder aufgemacht, einen passenden Platz für das neue Parlament zu suchen. Und den wohl schönsten Platz Islands gefunden: eben Thingvellir, direkt am Grabenbruch und am Thingvallavatn gelegen, einem See, der neben herrlichem Trinkwasser auch einen grandiosen Background abgibt!
Heute ist Thingvellir ein Pilgerort nicht nur für die Touristen vom Kontinent, sondern auch für die Isländer selbst. Die sind - nicht ganz zu Unrecht - stolz auf ihr frühes Parlament. Dass es sich dann um ca. 1200 AD auflöste und Island wie ganz Mitteleuropa in Anarchie versank, verschweigen allerdings die meisten.
Vulkanismus auf Schritt und Tritt [ISL] Vulkanismus auf Schritt und Tritt
Der zweite Pilgerort, den alle Islandreisenden besuchen, liegt wenig weiter östlich am Fuß des Berges Sandfell: Geysir City. Der gute alte Geysir, der sämtlichen Naturschauspielen dieser Art seinen Namen gab, hat schon vor Jahren seinen Dienst eingestellt, nachdem er von übermütigen Touristen mit Steinen beworfen worden war. (Hat ein Geysir eigentlich so etwas wie 'Rechtsempfinden'?) Zum Glück sprudelt zwanzig Meter weiter nun der Strokkur und schleudert sein heißes Wasser bis zu vierzig Meter in die Höhe. So alle fünf bis zehn Minuten.
Das Prinzip dieses Naturschauspielt ist ziemlich einfach - und passiert in meinem Teekessel jeden Morgen. Trotzdem ist der Strokkur natürlich um Welten imposanter als mein Wasserkessel! Und laufend von Buslandungen neugieriger Menschen umlagert! Für die kleineren heißen Quellen und die netten Wanderwege zu blubbernden und dampfenden Schlammschloten im Umland haben dann die wenigsten noch Zeit!
Hochlandquerung zum zweiten: Sprengisandur [ISL] Hochlandquerung zum zweiten: Sprengisandur
Und das Hochland ruft noch immer! Diesmal die etwas längere Süd-Nord-Querung über die Sprengisandur. Diese Route durchschneidet quasi die Insel diagonal von Südwesten nach Nordosten, mittendurch zwischen den beiden größten Gletschern des Landes, dem Vatnajökull und dem Hofsjökull. Beide Gletscher grüßen auch über lange Strecken der Piste aus weiter Ferne. Aus der Nähe sehen kann man sie aber nur bei geführten Gletscherwanderungen ... oder unten am Jökulsárlón, dem Gletschersee, den ihr ja schon von der Südroute kennt.
Die Piste der Sprengisandur [F26] führt in steter Abwechslung mal über ausgedehnte, hügelartige Lavafelder, mal entlang sanft abfallender Bergflanken. Mal über trostlose Mondlandschaft, mal über trostlose Steinwüste. Der Pistenverlauf ist eindeutig und an markanten Stellen stehen Hinweistäfelchen, welcher Berg denn nun aus der Ferne grüßt. Runter von der Piste darf man allerdings nicht: Offroad-Fahren ist in Island streng verboten und ich weiß das Verbot sehr zu schätzen: nicht jede halbwegs befahrbare Stelle der Landschaft ist mit Reifenspuren durchpflügt! So halte auch ich mich brav an die Vorgaben und parke die Lady Grey allenfalls auf einer der wenigen Seitenpisten.
Was die Piste scheut wie der Teufel das Weihwasser ist genau das: Wasser. Gerade mal zwei kleine Furten sind auf der ganzen Strecke zu queren. Auch in anderen Landesteilen sieht man das gut auf der Karte: vielfach werden Pisten und Straßen sowohl links wie rechts eines Flusses gebaut, teilweise über Hunderte von Kilometern. Nur ja keine Brücke! Denn die reißt die nächste Flutwelle mit Sicherheit weg! Wenn's dann doch mal eine Brücke sein darf, ist sie nur einspurig. Und manchmal sehr schmal!
Etwa auf halben Weg, kurz vor einer der beiden Furten hat die Naturschutzbehörde eine kleine Rangerstation eingerichtet, Nyidalu. Vier Hütten, ein Flugfeld und ein grasgrüner Campingplatz. Der Ranger gibt Tipps zu Ausflügen in die Umgebung, der interessanteste führt zum Tungnafellsjökull, einem kleineren Ableger des Vatnajökull. Leider kommt man auch hier nicht direkt an die Gletscherzuge heran!
Nach der - absolut unkritischen - Flussquerung (nicht mal mein Achsgehäuse wird nass) wird die Piste zunehmend besser. Ab und an ist sogar Autobahngeschwindigkeit angesagt, um der Wellblechpiste ein Schnäppchen zu schlagen.
Erst selten, dann immer öfter tauchen hier kleinere Bäche auf, die scheinbar aus dem Nichts entspringen. Ein hellgrünes, grell leuchtendes Moosfeld inmitten einer absolut vegetationslosen Landschaft. Ein winziger Tümpel mittendrin, keinen Handteller groß. An einer Lavaspalte oder einer unsichtbaren Verwerfung tritt hier das Wasser eines Dutzende oder Hunderte Kilometer entfernten Gletscher zu Tage. Glasklar, sauber und wohlschmeckend. Ein winziges Bächlein schlängelt sich glucksend durch das Moos und hat schon wenige Meter später eine tiefe Rinne in das Gestein gefräst.
Wasserfälle und Wale: im Inselnorden [ISL] Wasserfälle und Wale: im Inselnorden
Hunderte dieser winzigen Bächlein tun sich zusammen - und flugs durchzieht eine tiefe Schlucht die Landschaft und der nächste Wasserfall ist nicht weit. In diesem Fall stürzt sich der Aldeyjarfoss in die Tiefe und soll Islands schönster Wasserfall sein. Nach dreihundert Kilometern Berglandpiste jedenfalls eine angenehme Abwechslung! Und deren Ende, das ja immer viel zu schnell kommt!
Noch dreißig Kilometer auf guter Erdstraße nach Norden, schon ist der bekanntere Bruder des Aldeyjarfoss, der Godafoss erreicht. Der Sage nach soll der oberste Richter des Landes, den wir ja aus Thingvellir kennen, die alten nordischen Götzenbilder genau hier versenkt haben, als Island im Jahr 1000 AD zum Christentum wechselte. Daher der Name 'Wasserfall der Götter'. Zudem liegt er zweckmäßig direkt an der Ringstraße '1' und darf sich so über zahlreiche Besucher freuen.
Das Wetter ist herrlich und soll laut Vorhersage auch so bleiben. Also auf nach Husavik zur Walbeobachtung. Leider hält sich das Wetter nicht an seine Vorhersage und wir werden auf dem Kutter ganz schön eingeweicht. Trotzdem können wir eine Gruppe verspielter Delphine und zwei mächtige Buckelwale erspähen, die allerdings viel zu schnell wieder in die Tiefe der nährstoffreichen Bucht abtauchen.
Auf einem Gebiet von Hundert mal Hundert Kilometer reiht sich hier oben im Norden der Insel eine Sehenswürdigkeit an die Andere. Daher steht in den nächsten Tagen nicht mehr 'Fahren' sondern 'Sightseeing' und 'Wandern' im Vordergrund. Welch willkommene Abwechslung! Als erstes zur Götterburg Asbyrgi, die ihren Namen noch aus heidnischen Zeiten hat. Der langgezogene, scharfkantige, über zweihundert Meter hohe Felsabbruch, der tatsächlich wie ein Hufeisen aussieht, soll von einem Himmelspferd Odin's herstammen, als dieses einmal die Erde berührte. Eine viel brauchbarere Erklärung haben auch die Wissenschaftler bis heute nicht. Mittendrin im Hufeisen blieb die Felseninsel Eyjan von drei Kilometer Länge und einhundertfünfzig Metern Höhe stehen, als ob außenherum nicht geschehen wäre.
Der reißende Fluss Jökulsa á Fjöllum entspringt direkt am Nordende des Gletschers Vatnajökull und führt entsprechend viel Gletschermaterial mit sich: Felsen, Kies und Sand. Damit hat er sich ein paar Hundert Meter östlich des Asbyrgi ein neues Flussbett gesucht, eine neue Schlucht mit zweihundert Meter hohen, senkrechten Felswänden. Darin eingebettet zwei der eindrucksvollsten Wasserfälle der Insel, der Hafragilsfoss und der viel bekanntere Dettifoss. Beide kann man in einer netten Wanderung - zum Teil am Grund der Schlucht - erkunden. Hat man Glück und die Sonne lacht vom Himmel, bilden sich in der Gischt der Wasserfälle spektakuläre Regenbögen, denen ich stundenlang zusehen könnte. Gerade noch rechtzeitig kann ich mich losreißen, um vor dem heftigsten Regenguss seit Wochen die trockene Kabine der Lady Grey zu erreichen. Da fehlten keine zehn Sekunden!
Die Krönung des 'Sightseeing-Karrees' soll der See Myvatn werden, der in jedem Reiseführer Bestnoten bekommt. Reiseführer aber sind wie Politiker: Sie sagen nicht alles! Dass sich der See in tristes, alles durchdringendes Niesel-Nebel-Grau hüllt, steht nirgends geschrieben! Eine zweite Nacht - um besseres Wetter abzuwarten - wollte ich auf dem überteuerten Camp von Reykjahlid nicht einlegen ('Wildes Campen' rund um den See ist verboten), also auf zur Seeumrundung! Am Südende des Sees hat es soweit aufgerissen, dass ich eine Wanderung zwischen den Pseudokratern des Sees riskieren kann.
Ganz nah am Höllenschlund: Myvatn und Namafjall [ISL] Ganz nah am Höllenschlund: Myvatn und Namafjall
Pseudokrater? Auf den ersten Blick sehen sie aus wie 'richtige' Vulkankrater. Entstanden sind sie aber durch Wasser, das durch fließende Lava eingeschlossen wurde und sich dabei aufheizte. Der überhitzte Dampf bahnte sich dann explosionsartig den Weg ins Freie und schuf damit diese pittoresken Gebilde. Das letzte Mal, dass hier Lava floss ist noch nicht lange her: 1985! Das Gebiet liegt direkt auf der aktivsten Kante des Grabenbruchs, die Erdkruste ist gerade mal zweitausend Meter dick und überall lassen Ritze und Spalte in der Kruste die Hitze des Magmatopfes unterhalb nach oben steigen. Die Gegend um den Myvatn-See und das angrenzende Namafjall gehören zu den vulkanisch aktivsten Regionen der Erde. Was man auch allenthalben sieht. Und riecht!
Am Nachmittag kann ich noch einen Ausflug zu einem namenlosen Gipfel oberhalb von Reykjahlid machen, wo der Graben mitten durch einen Berg verläuft. Wo sich die zwei Gipfel des Berges (die früher mal ein Gipfel waren) dauernd voneinander fortbewegen. Von einem Gipfel zum anderen gespannt ist eine Art Flaschenzug, über den, die Drift der beiden Gipfel vermessen wird. Ob die Einrichtung allerdings heute noch genutzt wird, kann ich nicht sagen. Mit Lasereinrichtungen könnten das heute sicher viel vermessen werden.
Gleich hinter diesem Berg erstreckt sich das Gebiet Namafjall, ebenfalls ein Bergrücken, an dessen Flanken es nur so zischt und brodelt. Selbst vom Gipfel hat man beim Blick nach unten den Eindruck, sprichwörtlich am Eingang zur Hölle zu stehen. Unten springen die Bustouristen mitten zwischen kochenden Schlammtöpfen, zischenden Dampfquellen und stinkenden, schwefelverkrusteten Fumarolen herum. Bei dem bestialischen Gestank nach Schwefelwasserstoff müssten die meisten eigentlich Reißaus nehmen. Nein, sie stellen sich mitten in die stinkende Dampfwolke und lassen sich fotografieren!
Sieben Kilometer weiter nördlich wird die Hitze der Magmakammer zur Stromgewinnung angezapft: in einem geothermischen Kraftwerk (2x 30MW). Die sechzehn Bohrungen, über die der Dampf bei über zweihundert Bar Druck eingesammelt wird, liegen über mehrere Kilometer verstreut und gut isolierte Rohre leiten den Dampf zum Kraftwerk. Das Kondensat der Turbinen, eine toxische, milchig weiße Brühe wird in ein früheres Bachbett geleitet und ein paar Schilder warnen vor dem Baden in der noch immer heißen Brühe. Den Rest wird die Natur schon richten ...
Hochland zum dritten: Westuröræfi [ISL] Hochland zum dritten: Westuröræfi
Genug der Sehenswürdigkeiten. Vor der Fähre zurück brauch' ich noch etwas Hochland! Die 'F905' bring mich bald wieder runter von der Ringstraße, Richtung Herdubreid (1682m), dem Vorzeigevulkan der Isländer, noch etwas nördlich des bekannten Askja-Gipfels. Das Wetter ist nicht wirklich besser geworden und der berühmte Gipfel hüllt sich beständig in Wolken. Auf einer wenig befahrenen Querverbindung nach Bru kann ich ihn in seiner vollen Pracht bewundern. Ein wirklich 'hübscher' Vulkan - allerdings schon vor Jahrhunderten erloschen.
Im Hochland des Westuröræfi sauge ich ein letztes Mal die Einzigartigkeit dieser Landschaft, die Leere, die Wildnis, die Unberührtheit ein. Auch wenn mir der nicht enden wollende Sturm um die Ohren pfeift: in dieser Landschaft fühle ich mich wohl. Zwar möchte ich hier nicht leben wollen, aber als Ausgleich, als Gegengewicht zum arg dicht bevölkerten Mitteleuropa ist das hier Erholung pur! Natur, in die vermutlich noch niemals ein Mensch seinen Fuß gesetzt hat. Hier heroben fühlt sich sogar ein Rudel der scheuen Rentiere noch sicher, obwohl ihnen von Jägern und neugierigen Touristen arg nachgestellt wird!
Eine unerwartet gute Teerstraße führt weiter vom Stausee Hálslón zurück in die Zivilisation, zum Tal des Lagarfljöt-Sees und zum Hengifoss, der meine Sammlung an Wasserfällen krönen sollte, jedoch nur ein winziges Rinnsal ist, dem man offenbar das Wasser abgezwackt hat.
Völlig unerwartet treffe ich hier einen alten Bekannten wieder, der mir auf den Hochland-Etappen nicht wirklich fehlte. Als ich aber mittendurchfahre, weiß ich, was mir dort oben abging: Wald. Grüner, frischer Wald. Die Hochland-Landschaft hat ihre ungemein starken Reize, die ich sehr genossen habe. Doch ist es genauso schön, wieder Wald um sich zu sehen. In seine Geborgenheit, in seinen Schutz einzutauchen. So hat jede Landschaft ihre ganz eigenen Reize. Überall ist es schön, wenn man sich auf die Eigenarten der Natur einlässt. Und es ist schwer, eine Antwort auf die Frage zu finden "Wo war es denn am schönsten?".
Von diesen unzähligen Eindrücken werde ich nun auch ein paar Monate zehren müssen!
Wenn uns die
Norröna
zurück nach Dänemark gebracht hat, sind ein paar Entscheidungen fällig, wie diese Reise weitergehen soll.
Einige - im wahrsten Sinn des Wortes - richtungsweisende Ideen konnte ich oben im Hochland schon sammeln.
Nun wird es an die Detailklärung und Umsetzung gehen.
Aber bis dahin ist noch etwas Zeit. Erst einmal werde ich die Schiffsreise genießen und hoffe,
dass sie nicht zu stürmisch verläuft.
Nachtrag 24.08.2013:
Die Überfahrt mit der
Norröna
war alles andere als "bewegt" Nach ein bisschen Seegang rund um Island wurde der Atlantik
schnell ruhiger und wir alle genossen die Überfahrt.
Nicht mal die Lady Grey tief im Schiffsrumpf wurde seekrank.
Die Norröna ist ein ganz bemerkenswertes Schiff: sie ist nicht irgendeine Fähre, sondern dient ganz nebenbei auch der Wissenschaft! Der Golfstrom, der schon für uns Mitteleuropäer wichtig, für die Skandinavier aber überlebensnotwendig ist, geriet ja die letzten Jahre oft in die Schlagzeilen. Viele Wissenschaftler befürchten, dass er durch die Erderwärmung nachlässt oder ganz einschläft. Das Klima in Europa würde dann einen mächtigen Satz Richtung Eiszeit machen! Und ein Großteil des Golfstroms verläuft zwischen Schottland, den Faroer Inseln Island, also just auf der Fahrtroute der Norröna! Was lag also näher, als das Schiff mit einer Reihe von Sensoren auszurüsten? 'So ganz nebenbei' misst sie nun wöchentlich Wassertemperaturen und Strömungsverteilung, die gerade in diesem Bereich des Atlantiks sehr turbulent sind, bis in 800m Tiefe. Wichtige Daten, um die Strömungsmodelle der Klimaforscher zu füttern.
So habe ich mit meiner Tour am Ende sogar noch einen - wenn auch winzigen - Beitrag zur Rettung des Weltklimas geleistet .